logocontainer-upper
Wir-Portal
logocontainer-lower

Es ist eine fundamentale pastorale Umkehr notwendig

Interview mit Msgr. Dr. Michael Bredeck zum „Diözesanen Weg 2030+“

Mit dem Digitalen Diözesantag am 14. November 2020 begann im Erzbistum Paderborn der Diözesane Weg 2030+. Im Interview gibt Monsignore Dr. Michael Bredeck, Leiter des Bereichs Entwicklung und Kommunikation, Auskunft darüber, was seit dem Diözesantag geschehen ist, was der Diözesane Weg für die Diözese bedeutet und was es mit dem Zielbild auf sich hat, das leitend für die Weiterentwicklung des Erzbistums werden soll. Und: Das Diözesane Forum, ursprünglich für Juni geplant, wird aufgrund der Corona-Pandemie auf den 23. Oktober 2021 verschoben.

Redaktion

Herr Dr. Bredeck, seit dem Digitalen Diözesantag Mitte November befindet sich das Erzbistum Paderborn auf dem „Diözesanen Weg 2030+“. Was hat es damit auf sich?

Msgr. Dr. Michael Bredeck

In diesem neuen Abschnitt der Bistumsentwicklung soll der Blick weit nach vorn gerichtet werden, auf die Jahre ab 2030: Wie kann, wie soll die Kirche im Erzbistum Paderborn dann aussehen? Und wie können wir uns darauf vorbereiten, welche Entscheidungen sind in der nächsten Zeit zu treffen? Es ist kein Geheimnis, dass erhebliche Veränderungen kommen werden, ob wir das wahrhaben wollen oder nicht. Dass viele, die heute ehrenamtlich oder hauptberuflich Verantwortung tragen, dann in Ruhestand gehen oder kürzer treten. Es bleiben uns ein paar Jahre, die wir zur Vorbereitung nutzen können, um auf diese erheblichen Veränderungen einigermaßen vorbereitet zu sein. Sozusagen heute für 2030+.

Redaktion

Da geht es vermutlich um die zurückgehenden Zahlen bei Priestern und hauptberuflichen Laien in der Seelsorge?

Msgr. Dr. Michael Bredeck

Darum geht es natürlich auch. Doch der Kontext der Veränderungen ist viel weiter: Die Christen und damit die katholische Kirche im Erzbistum Paderborn werden eine gesellschaftliche Minderheit. Wir werden kleiner, weniger und, was sich jetzt viele nicht vorstellen können, materiell ärmer werden. Doch auch als „kreative Minderheit“ wird die Kirche die Aufgabe haben, „nach draußen“ zu gehen. Seelsorge und Pastoral werden sich darum bemühen, dass das Evangelium im Leben von Menschen überhaupt als Option vorkommen kann. Je weniger Menschen von sich aus die Kirche aufsuchen, umso mehr müssen wir innerhalb der Kirche bereit und fähig sein, den Kontakt außerhalb unserer gewohnten Möglichkeiten zu suchen. Dazu werden wir möglichst viele Orte, Gelegenheiten und Wege nutzen müssen, um als Christen mit dem Evangelium in einer sehr pluralen Gesellschaft präsent zu sein.

Redaktion

Wie kann aus dieser Aufgabe eine wirkliche Haltung werden?

Msgr. Dr. Michael Bredeck

Das Zukunftsbild von 2014 hat dazu alles beschrieben. Aber ein Wechsel in der Haltung ist sehr mühsam. Es fehlt nach meiner Einschätzung weitgehend an der Einsicht, dass wirklich eine fundamentale „pastorale Umkehr“ notwendig ist, um „nach draußen“ zu gehen. Dass es an erster Stelle um den Glauben an Jesus Christus und eben nicht um die Institution Kirche, das Bistum oder die Gemeinden geht. Natürlich sind diese absolut notwendig, aber als Instrumente, Werkzeuge, nicht als das Zentrum selbst. Es wird nötig sein, die säkulare Gesellschaft, die vorherrschende religiöse Unmusikalität, die wir mit Apatheismus  bezeichnen, anzunehmen und nicht zu beklagen. Insgesamt gehe ich davon aus, dass wir im Erzbistum Paderborn erst nach und nach lernen werden, als kreative Minderheit Kirche zu sein und den Glauben als Option, als Angebot, attraktiv vorzuleben und als lebensrelevant auszuweisen. Es kommt hinzu, dass wir uns dabei nicht mehr auf stabile Strukturen oder viele bisher funktionierende Wege verlassen zu können.

“Je weniger Menschen von sich aus die Kirche aufsuchen, umso mehr müssen wir innerhalb der Kirche bereit und fähig sein, den Kontakt außerhalb unserer gewohnten Möglichkeiten zu suchen. Dazu werden wir möglichst viele Orte, Gelegenheiten und Wege nutzen müssen, um als Christen mit dem Evangelium in einer sehr pluralen Gesellschaft präsent zu sein.”

Msgr. Dr. Michael Bredeck

Redaktion

Im November sind fünf Schlüsselthemen vorgestellt worden. Was haben diese mit der pastoralen Umkehr zu tun, von der Sie sprechen?

Msgr. Dr. Michael Bredeck

In den fünf Themen – mehr Infos dazu gibt es in dem Kasten weiter unten – kann die „pastorale Umkehr“ konkret werden. Die Themen sind bereits im Zukunftsbild des Erzbistums grundgelegt. Ihre Bedeutung ist in den letzten Jahren viel stärker geworden, zum Beispiel die grundlegende Option für die Evangelisierung durch Mission und Diakonie, das Bemühen um ein wirklich geschwisterliches Miteinander von Priestern und Laien, von Haupt- und Ehrenamtlichen, von Männern und Frauen. Es ist viel deutlicher geworden, in welche Richtung sich die Kirche durch konsequente Arbeit an diesen Schlüsselthemen verändern kann, wo aber auch der Widerstand und die Einsprüche liegen. Je mehr Menschen im Haupt- und Ehrenamt sich intensiv mit diesen Themen beschäftigen, desto leichter wird der Weg in die herausfordernde Zukunft. Dabei dürfen Fehler passieren. Aber eins wird sich rächen: zu meinen, das gehe einen alles gar nichts an.

Redaktion

Corona spielt aber auch eine Rolle…

Msgr. Dr. Michael Bredeck

Ja, „Lernen aus Corona“ ist sogar so etwas wie der Notenschlüssel für die fünf Schlüsselthemen. Wenn die Pandemie unseren Alltag nicht mehr dominiert, was hoffentlich im Herbst der Fall sein wird, ist in der Kirche ein Neuanfang nötig. Da werden wir fragen müssen: Wie können wir mit den Erfahrungen der Corona-Krise als Pastoraler Raum, als Einrichtung, als Verband, als Erzbistum neu starten? Was hat sich in der Pandemie bewährt, was geht nicht mehr, was haben wir gelernt? Und vor allem wird interessant sein zu sehen, wer wieder oder neu oder nicht mehr da ist, um die Kirche vor Ort zu bilden.

Redaktion

Wie sieht die Arbeit an den Schlüsselthemen aus?

Msgr. Dr. Michael Bredeck

Die Themenverantwortlichen aus dem Generalvikariat, die beim Diözesantag eine erste Präsentation vorgestellt haben, haben Arbeitsgruppen zusammengestellt, die derzeit aktiv am Werk sind. In den digitalen „Freiräumen“, die zu jedem Thema angeboten wurden, haben engagierte Menschen aus dem Erzbistum erste Resonanzen eingebracht, die derzeit verarbeitet werden. Die Themengruppen sind beauftragt, konkrete Entscheidungspunkte zu benennen, die dazu beitragen können, dass „pastorale Umkehr“ mit Hilfe der fünf Themen gelingen kann. Davon erhoffe ich mir neue Energie, die sowohl die Bistumsebene als auch die lokale Ebene brauchen, um sich nach der Pandemie neu aufzustellen und nicht mehr zurück, sondern nach vorn zu schauen. Im Sommer sollen die Vorschläge der Arbeitsgruppen in einer intensiven, auch digitalen Beratung von vielen Interessierten aus dem Erzbistum Feedback erhalten. Und auf dieser Basis soll dann im Herbst 2021 ein Zielbild für die Jahre 2030+ vorgelegt werden.

Infos zum Diözesanen Weg 2030+

Mit dem Diözesantag am 14. November 2020 begann für das Erzbistum Paderborn ein neuer Abschnitt der Bistumsentwicklung. Der künftige Diözesane Weg nimmt das Jahr 2030 und die Zeit danach als Orientierungspunkt und richtet seine Weichenstellungen an der Situation der Kirche aus, die dann aller Voraussicht nach eingetreten ist: das Ende der Volkskirche, katholische Gläubige in der Minderheit, Einbrüche bei finanziellen Ressourcen und bei der Zahl des pastoralen Personals.

Redaktion

Was hat es mit diesem Zielbild auf sich?

Msgr. Dr. Michael Bredeck

Es geht darum, auf der Basis des Zukunftsbildes von 2014 sowie der Erfahrungen der letzten Jahre und insbesondere der Pandemie ein möglichst anschauliches Bild zu zeichnen: Wie kann das Erzbistum Paderborn in zehn bis fünfzehn Jahren aussehen? Dabei berücksichtigen wir auch Trends aus dem Umfeld der katholischen Kirche, die uns stark beeinflussen wie der schon angesprochene „Apatheismus“, also die religiöse Gleichgültigkeit. Es soll also ein anschauliches Konzentrat entstehen aus dem Zukunftsbild, aus gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und Handlungsoptionen aus den Schlüsselthemen. Auf dieser Grundlage können Aussagen getroffen werden, wie Gemeinde und Seelsorge sich aufstellen, wie die Territorialpastoral der Zukunft aussehen kann, wie sich Personaleinsatz, Immobilienbestand und finanzieller Ressourceneinsatz darstellen lassen.

Redaktion

Und wie sieht für all diese Vorhaben der Zeitplan aus?

Msgr. Dr. Michael Bredeck

Corona hat weiterhin alle Planungen im Griff, deshalb mussten wir die Termine für dieses Jahr nochmals verändern. Ich kann jetzt sagen, dass das Diözesane Forum am 23. Oktober 2021 stattfinden wird. Ich hoffe, dass viele Interessierte zusammen kommen, ob an einem Ort, ob an mehreren Orten oder digital – das können wir erst im Sommer entscheiden. Der Plan ist, das Zielbild und die Empfehlungen zu den Schlüsselthemen im Oktober dieses Jahres vorzustellen, auf der Basis der Themengruppen und der im Sommer eingeholten Rückmeldungen. Zuvor, zum ursprünglichen Forumstermin am 18./19. Juni, wird es Beratungen im Diözesanpastoralrat und in einer kleineren Diözesankonferenz geben, die ab April vorbereitet wird.

Redaktion

Und nach dem Diözesanen Forum?

Msgr. Dr. Michael Bredeck

Im kommenden Jahr soll das Zielbild ins Erzbistum getragen werden. Die Bereitschaft, sich auf den Weg nach 2030+ zu machen, braucht ja möglichst viele Menschen überall im Erzbistum. Dazu möchten wir uns auch von Seiten der Bistumsebene auf den Weg machen quer durchs Erzbistum, um vor Ort mit vielen Menschen ins Gespräch zu kommen über das Zielbild, das Leitkriterium Evangelisierung und die Schlüsselthemen und wie all das hilfreich werden kann, beispielsweise in den Gemeinden. Denn darum muss es ja gehen: um die Stärkung des Glaubenslebens vor Ort, um eine möglichst anziehende Art, den Glauben an Jesus Christus zu leben und ihn einladend anzubieten. Es wäre wünschenswert, hier zu möglichst verbindlichen Aussagen in den Pastoralen Räumen zu kommen.

Redaktion

Glauben Sie, dass dieser Weg funktionieren wird?

Msgr. Dr. Michael Bredeck

Ich hoffe es. Ich sage das im Wissen um die starke Ermüdung an vielen Orten und bei vielen Personen in der Kirche. Die Veränderungen kosten Kraft und hören nicht mehr auf. Hinzu kommt die kirchliche Gesamtlage, die natürlich sehr belastend ist. Und dann kam auch noch Corona. Es zerbrechen gerade Gewissheiten im innersten Kern der Kirche. Damit umzugehen ist sehr herausfordernd, aber unumgänglich. Wir wissen schon viele Jahre, in welche Richtung die Entwicklung gehen wird und die Pandemie hat hier wie ein Beschleuniger gewirkt. Das Zielbild wird also einen Ausgangspunkt nach Corona formulieren für den Weg des Erzbistums nach 2030+, im Zeichen einer pastoralen Umkehr.

Redaktion

Welche Themen außerhalb des Erzbistums werden den Diözesanen Weg 2030+ beeinflussen?

Msgr. Dr. Michael Bredeck

Neben den gesellschaftlichen Entwicklungen und der Pandemie natürlich der Synodale Weg der katholischen Kirche in Deutschland. Man muss das unterscheiden. Der Synodale Weg berührt Fragen, die wir nicht im Erzbistum alleine lösen werden, aber nach dem Synodalen Weg auch im Erzbistum angehen müssen. Das berührt dann automatisch alles, was im Zielbild angesprochen ist, auch die fünf Schlüsselthemen.

Redaktion

Für Sie steht nun bald ein beruflicher Wechsel an. Zum 1. April übernehmen Sie die Leitung des Bereichs Pastorale Dienste im Generalvikariat. Was haben Sie sich selbst zum Ziel gesetzt?

Msgr. Dr. Michael Bredeck

Manche haben mir gesagt, ich sollte die neue Aufgabe in der aktuell bedrückenden Lage der Kirche besser nicht übernehmen. Aber ich bin davon überzeugt, dass christlicher Glaube und katholische Kirche Zukunft haben, freilich wird eine neue Gestalt der Kirche nach der Volkskirche und nach der Pandemie unter vielen Schmerzen geboren. Deshalb wird es immer wichtiger, dass die diözesane Ebene Richtungen aufzeigt, in die es gehen kann. Bei den vielen unterschiedlichen Sichtweisen, Erwartungen und Kirchenbildern ist das unausweichlich mit viel Gespräch und Auseinandersetzung verbunden. Dabei möchte ich diejenigen nach Kräften stützen, die einerseits die ernste Lage der Kirche sehen, und sich mit Glaube und Leidenschaft sowie vielen Ideen einsetzen. Und ich hoffe, dass meine Arbeit und die des ganzen Bereichs Pastorale Dienste möglichst gut einlöst, was im Zukunftsbild grundgelegt ist an Haltungen und Optionen für die Kirchenentwicklung im Erzbistum Paderborn. Da ist schon sehr vieles grundgelegt und beschrieben für die Kirche von morgen.

Die Schlüsselthemen des Diözesanen Wegs

Im Zentrum des Diözesantages standen sechs Schlüsselthemen, die in den kommenden Jahren das Bemühen auf Bistumsebene und vor Ort bündeln sollen. Unter den nachfolgenden Links finden Sie die 100-Sekunden-Videos zu diesen Themen, die im Verlauf des Diözesantages gezeigt wurden, sowie zentrale Informationen.

Weitere Einträge

© fizkes / shutterstock.com

News Halt in unhaltbaren Zeiten

Was vermag die institutionelle Jugendhilfe? Wo sind die Grenzen des Möglichen? Elmar Schäfer, Geschäftsführer der Jugendhilfe im Erzbistum Paderborn gemeinnützige GmbH, spricht im Interview über Jugendliche in Schwierigkeiten, Systemsprenger und das Herumalbern mit Jugendlichen als Hoffnungszeichen
© jittawit21 / Shutterstock.com

News Verlässlicher Fahrplan durch weitere Priorisierung

Lokale Immobilienstrategieprozesse laufen voraussichtlich bis Mitte 2030
© alphaspirit.it / Shutterstock.com

News Hoffnung Antrieb zum Handeln

Detlef Herbers, stellvertretender Direktor der Kommende, formuliert seine Gedanken zum Thema Hoffnung in einem Standpunkt. Sein Beitrag ist auf der Homepage des Sozialinstituts veröffentlicht.
Kontakt
| |
generalvikariat@erzbistum-paderborn.de
+49 (0)5251 125-0
Barrierefreiheit