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Die "Kirche in anderem Licht" baut Brücken zwischen den Menschen und der Kirche© antstang / Shutterstock.com

Brücken in die Stadtgesellschaft bauen

Zehn Jahre „Kirche in anderem Licht“ in Hagen, zehn Jahre Brückenbau mit Spiritualität, mit caritativem Einsatz und mit Kultur: Im Interview erklärt Wolfgang Herz, Gemeindeseelsorger und Impressario der Kirche im anderen Licht, was im Engagement gegen die kirchliche Milieuverengung ankommt und was verpufft.

Hagen ist eine typische Großstadt im Ruhrgebiet. Typisch deshalb, weil hier alle Phänomene des Strukturwandels und der gesellschaftlichen Veränderungen auf engstem Raum aufeinanderprallen. Die soziale Belastung ist hoch, genauso wie das Armutsrisiko, der Anteil der Alleinerziehenden oder der Menschen mit Migrationshintergrund. 60 Prozent der unter 14-Jährigen blicken auf eine familiäre Migrationsgeschichte zurück. Das macht Hagen zum Handlungsfeld einer mitfühlenden und helfenden Kirche. Zugleich ist hier die Kirchenferne der Menschen besonders groß. Wie also zu den Menschen durchdringen?

Dieser Frage stellt sich seit zehn Jahren die „Kirche in anderem Licht“. Inhaltlicher Ausgangspunkt war eine Kirchenrenovierung von 2006 auf 2007. Dabei wurde ein erster Anlauf unternommen, von St. Michael im Hagener Stadtteil Wehringhausen aus Brücken in die Stadtgesellschaft zu schlagen. Diese Bemühungen intensivierten sich 2014: St. Michael 2014 schickte sich an, zu einer der ersten Lichtkirchen im Erzbistum Paderborn zu werden. Dabei ging es nur am Rande um die Installation einer Lichtanlage zur Illumination des Gebäudes. Vielmehr sollte auch die Institution Kirche in einem anderen Licht erscheinen. Im Interview verdeutlicht Wolfgang Herz die Zielsetzung und was bereits erreicht wurde.

Redaktion

Was ist das Konzept der „Kirche in anderem Licht“?

Wolfgang Herz

Unser Konzept steht auf drei Säulen. Die erste: Wir schaffen spirituelle Erlebnisse. Das ist unsere Kernkompetenz als Kirche. Dazu entwickeln wir sinnlich erfahrbare, gemeinschaftliche Angebote und gestalten besondere Orte. Das können Orte der Ruhe sein, aber auch Angebote der Inspiration. Die zweite Säule ist caritatives Engagement. Hier wollen wir den Menschen die Augen für die Notlagen anderer öffnen und ihnen Möglichkeiten aufzeigen, wie sie sich konkret und unmittelbar einbringen können. Dritter Teil unseres konzeptionellen Fundaments ist Kultur im weitesten Sinn. Damit wollen wir Menschen anziehen, begeistern, überraschen, unterhalten, aber auch auf dem Weg der Kultur gemeinsam mit den Menschen Lebensfragen stellen und diese Fragen nach Möglichkeit aus Sicht der Kirche beantworten.

Redaktion

Eine Frage, bevor Sie uns konkrete Maßnahmen aus den drei Bereichen vorstellen: Wer ist „wir“?

Wolfgang Herz

Wir, das ist zunächst ein kleines Leitungsteam aus vier Personen: Gerd Steger, der Dekanatsreferent im Dekanat Hagen-Witten, Angela Spiekermann-Bönicke und Christiane Humpert als ehrenamtlich Engagierte und ich als Gemeindereferent im Pastoralen Raum Hagen Mitte-West.

Redaktion

Zu viert lässt sich wenig bewerkstelligen …

Wolfgang Herz

Dazu kommen in der Umsetzung viele unterschiedliche Partnerinnen und Partner aus der Stadtgesellschaft. Ohne Partnerschaften geht es nicht. Sie sind eine schlichte Notwendigkeit, aber auch Absicht. Ziel ist die Vernetzung mit anderen gesellschaftlichen Akteuren. Wenn wir als Kirche Brücken in die Stadtgesellschaft hinein bauen wollen, dürfen wir nichts vorgeben. Vielmehr müssen die anderen Akteure die Gelegenheit haben, die Aktionen und Initiativen mitzugestalten. Auf diese Weise sind wir beispielsweise in Kontakt mit dem Sportverein Roterstern Wehringhausen gekommen, der sich klar für demokratische Werte ausspricht und sich antifaschistisch und antirassistisch positioniert. Für manche Außenstehende mutet diese Partnerschaft zwischen diesem besonderen Fußballverein und der katholischen Kirche etwas seltsam an. Aber wir verfolgen ähnliche Ziele und es läuft gut zwischen uns. Die Leute von Roterstern Wehringhausen helfen uns bei Veranstaltungen beim Aufbau, dafür darf sich der Verein unsere Bierzeltgarnituren kostenlos ausleihen. Natürlich können sich die Menschen aus dem Umfeld des Vereins auch in anderen Belangen an uns wenden. Für sie sind wir als Kirche kein Gebäude, sie sehen uns in anderem Licht.

© Susanne Kühnau / Collage: Erzbistum Paderborn

Ohne Partnerschaften geht es nicht.

Wolfgang Herz
Redaktion

Mit diesem Beispiel sind wir in der Praxis angelangt. Welche Aktionen haben Sie in den Bereichen Spiritualität, Caritas und Kultur bereits realisiert?

Wolfgang Herz

Wir haben in den vergangenen zehn Jahren viele Projekte umgesetzt, je nach Finanzierung und personellen Ressourcen größere und kleinere. Deshalb wird es schwierig, eine Auswahl zu treffen. In den Bereich der Spiritualität fallen unsere Lichtpunktgottesdienste, die einmal monatlich und in der Fasten- und Adventszeit wöchentlich stattfinden. Ein schöner Erfolg waren auch unsere Gemeinschaftsprojekte mit der Hildegardis-Schule und dem Jugendtheater Hagen. Durch die thematische Ausrichtung der Projekte kamen dabei alle drei Bestandteile unseres Fundaments zusammen: Spiritualität, Caritas und Kultur. Dafür haben wir unsere Kirche St. Michael gern als Ausstellungsfläche und Theaterbühne zur Verfügung gestellt.

Redaktion

Eine Kirche als Galerie und Theaterbühne – geht das?

Wolfgang Herz

Das geht und wird leider viel zu selten gemacht. Natürlich gab es auch bei uns anfangs Vorbehalte. Die künstlerische Avantgarde präsentiert sich oft besonders kirchenfern. Wir haben es aber bei unseren Projekten erlebt, dass künstlerisch tätige Menschen vielfach einen besonderen Sensus für Räume haben und mit dem Sakralraum Kirche sehr sensibel umgegangen sind, behutsamer mitunter als manche der Menschen, die wir hier beim Gottesdienst sehen.

Redaktion

Drehen sich alle Ihre Veranstaltungen und Aktivitäten um die Kirche St. Michael?

Wolfgang Herz

Im Gegenteil, wir gehen viel raus und haben schon eine Moschee und eine Synagoge zum interreligiösen Dialog besucht. Auch die Kreuzfahrten zur Fastenzeit, ein Projekt in ökumenischer Zusammenarbeit mit dem Kirchenkreis Hagen, kamen gut an. Dazu haben wir einen Bus der städtischen Verkehrsbetriebe gemietet und nur das Thema angekündigt, nicht aber das Fahrtziel. Das Mysteriöse daran hat die Menschen neugierig gemacht, bei allen Fahrten war der Bus proppenvoll. Besucht haben wir dann soziale Brennpunkte und Hilfseinrichtungen. Das war augenöffnend für alle, die daran teilgenommen haben.

Redaktion

Gibt es bestimmte Erfolgsfaktoren?

Wolfgang Herz

Das kommt darauf an, was Sie als Erfolg bezeichnen. Wenn es um den Publikumserfolg geht, gibt es Erfolgsrezepte. Ganz platt: Wenn ich einen Chor aus der Region einlade, bringt der seinen Fanclub mit, dann habe ich die Kirche automatisch voll. Dasselbe passiert, wenn ich mir zu einer Veranstaltung einen Promi hole, jemanden aus dem Bereich Comedy oder, wie wir es schon gemacht haben, den Kölner Sozialpfarrer Franz Meurer. Der Publikumserfolg ist schön, aber andere Fragen sind mindestens genauso wichtig: Lässt die Aktivität unsere Kirche, die bekanntlich stark unter einer Milieuverengung leidet, in einem anderen Licht erscheinen? Trägt die Initiative zu einer besseren Vernetzung mit der Stadtgesellschaft bei? Erreichen wir damit Menschen, die sonst keinen Kontakt zur Kirche haben? Vielleicht ist eine kleinere Veranstaltung besser dazu geeignet.

Ganz platt: Wenn ich einen Chor aus der Region einlade, bringt der seinen Fanclub mit, dann habe ich die Kirche automatisch voll.

Wolfgang Herz

Redaktion

Dann anders gefragt: Welches Veranstaltungsformat möchten Sie nicht missen?

Wolfgang Herz

Neben unseren Lichtpunktgottesdiensten ist das der Sommergarten. Das ist ein Umsonst-und-Draußen im Pfarrgarten. Fix daran sind nur der Garten von St. Michael als Location und der Veranstaltungstermin, immer montags jeweils um 19 Uhr. Das Programm ist völlig frei gestaltbar. 2024 hatten wir an den Abenden viele interessante Gäste: den A-Capella-Chor J.E.S. und Schwester Bettina Berens, die von ihrem Weg von der Profifußballerin zur Ordensfrau erzählte, den Hagener Liedermacher Björn Nonnenweiler, der ein Mitsingkonzert gab, die Autorin Regina Laudage-Kleeberg, die aus ihrem Buch „Obdachlos katholisch“ las oder die Chefredakteurin von Radio Hagen, Cordula Aßmann. An einem Abend haben wir in lockerer Atmosphäre nur ein Quiz gemacht. Man braucht also nicht jedes Mal einen Stargast. Was mich besonders freut: Im Sommergarten treffen sich auch Menschen, die Kirche schon lange der Kirche den Rücken gekehrt haben. So signalisieren wir, wie Kirche in anderem Licht sein kann.

Redaktion

Sehen die Menschen in Hagen nach zehn Jahren die katholische Kirche tatsächlich in einem anderen Licht?

Wolfgang Herz

Kirche ist heute ein gesellschaftlicher Akteur unter vielen anderen und reines Entertainment können andere besser als wir. Aber die Verbindung aus Spiritualität, Caritas und Kultur ist unsere Stärke, das macht uns als Kirche einzigartig. Und ja, dass wir eine zugängliche Kirche sind, vermitteln wir mit Erfolg.

Redaktion

Sie machen also weiter?

Wolfgang Herz

Auf jeden Fall!

Ein Beitrag von:
© Jürgen Hinterleithner
freier Autor

Hans Pöllmann

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© fizkes / shutterstock.com

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