Auch an jede Kirchentür? Wenn man die jüngst veröffentlichte Statistik über Kirchenaustritte liest, dann wäre ich mir da nicht mehr so sicher. Es sind zu viele, die nichts mehr von der Kirche erwarten: dass sie noch etwas bewegen, sich ernsthaft und wirkungsvoll für die Menschen und ihre Anliegen einsetzen kann, dass sie noch Antwort geben kann auf spirituelle Bedürfnisse und existenzielle Fragen. Wie man sich über einen Zeitungsartikel ärgert und das Abonnement kündigt, so ist der Ärger und die Enttäuschung über die Kirche und ihr Personal, ihre vermeintliche Weltfremdheit und erschütterte Glaubwürdigkeit vielen ein Anlass, ihr schlussendlich (?) den Rücken zu kehren, ihr den Stempel der Irrelevanz aufzudrücken.
Und die, die zurückbleiben? Sind die auch „irrelevant“? Mit all ihren Schwächen, Fehlern und so offenkundigen Begrenztheiten? Wenn es in der Kirche etwas gibt, weshalb es sich lohnt, nicht nur zu bleiben, sondern gerade dort Lebensmut und Glaubenskraft zu finden, dann ist es gerade das Bewusstsein, aus tiefster Überzeugung an einen Gott glauben zu dürfen, für den jede und jeder absolute Relevanz besitzt, unabhängig von Alter und Geschlecht, Herkunft und Bildung, Leistung und gesellschaftlicher Bedeutungslosigkeit. Vielleicht ist das selbst denen, die in der Kirche sind, nicht im Letzten klar.
Denn es ist nicht die Faszination einer weltweit führenden Organisation und auch nicht der (in der Vergangenheit ja ziemlich lädierte) Anspruch einer societas perfecta. Aber es ist ein Ort, an dem Menschlichkeit ein Gesicht hat – oder zumindest haben soll –, gerade auch an den Grenzbereichen menschlicher Existenz, an den Hoch- wie Tiefpunkten des Lebens. Wo Barmherzigkeit und Vergebung mehr sind als nur ein loses Wort oder ein frommer Spruch. „Alles von Relevanz“, das müsste an unseren Kirchentüren stehen: und zwar innen – um sie weit aufzustoßen und herauszutreten und, wer immer es ist, erahnen zu lassen: Vor Gott hat all unser Sein allerhöchste Relevanz.
Ihr
Prälat Dr. Peter Klasvogt