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Skyline von Berlin© frank_peters / Shutterstock.com

Das Dekanat Hochsauerland-Ost in Berlin

"Denn du führst mich hinaus in die Weite", Psalm 18,20

„Wenn vor oder nach einem Gottesdienst nichts für die Menschen geschieht, dann ist der Gottesdienst überflüssig“, so formulierte Rupert Neudeck, der Gründer der Cap Anamur einmal den Auftrag von Kirche. Das Erzbistum Paderborn formuliert es in seinem Zielbild 2023+ ein wenig anders: Wir im Erzbistum Paderborn gewinnen Zukunft, wenn wir … ernst machen mit einer… Ausrichtung der Pastoral, die sich in einer Geh-raus-Kultur und praktizierter Nächstenliebe umzusetzen beginnt.“ Aber wie sieht sie aus, diese von Nächstenliebe und Evangelisierung geprägte Kirche, in einer Gesellschaft, die sich immer weiter von ihr entfernt?

Mit dieser und anderen Fragen im Gepäck machten sich 27 Sauerländerinnen und Sauerländer, allesamt ehren- und hauptamtlich in den Gemeinden und Pastoralen Räumen des Dekanats aktiv, am 29. September als „Kundschafter“ per Bundesbahn auf den Weg in die Großstadt Berlin. Unterstützt wurde die Fahrt mit Projektmitteln des Erzbistums Paderborn und richtete sich grundsätzlich an alle Interessierten in den Gemeinden.

Die Unterbringung in einem einfachen Pilgerhaus stellte für manche sicherlich eine kleine Herausforderung dar. „Dieses ist eigentlich nicht der Standard, den ich gewohnt bin, aber das Projekt hörte sich so spannend an, dass mir das egal war“, war von einigen Teilnehmenden zu hören.

Auf dem Programm standen dann der Besuch von kirchlichen Projekten und vor allem die Begegnung mit den Menschen, die sich dort in vielfältiger Weise engagieren.

„ParadEis Truck“

Eine Pastoralreferentin des Erzbistums Berlin berichtete am ersten Abend von ihrem Auftrag „Geh zu den Menschen“ Projekte zu entwickeln. In Folge dessen packt sie z. B. in der Weihnachtszeit in Geschäften Geschenke in besonderes Papier, das die Weihnachtsbotschaft im Kontext der Stadt Berlin darstellt, sie fährt mit dem „ParadEis Truck“ zu den Menschen und verteilt besondere Eissorten mit klangvollen Namen wie „Wagemut“ , und „Eden Für Jeden“ und garniert diese mit stärkenden Impulstexten. So kommt sie mit den unterschiedlichsten Menschen ins Gespräch. Ein anderes Mal besucht sie in der Weihnachtszeit während der Nachtschicht Menschen, die sich für das Gemeinwohl einsetzen, wie die Polizei, und verteilt kleine Geschenke. Der Bischof von Berlin hilft dabei selbstverständlich mit, weil es ihm ein Anliegen ist, bei den Menschen zu sein. Aber sie erzählte auch von dem zum Experimentieren gehörenden Scheitern und ihrem Kampf gegen die Dinosaurier „ Das war schon immer so“ und „ Das haben wir noch nie so gemacht“.

Die Franziskaner in Pankow betreiben eine Suppenküche mit einer angeschlossenen Hygienestation. Die Menschen, die zu ihnen kommen, sind ihre Gäste und werden herzlich „Willkommen“ geheißen. Keiner stellt die Frage, ob jemand zu Recht hier und/oder wirklich bedürftig ist. Das Ganze geht nicht ohne die Unterstützung vieler Freiwilliger. Die ermöglichte Begegnung beim Waffelbacken und die dabei erfahrene Dankbarkeit und Freude bewegte alle Beteiligten der Gruppe zutiefst. Auch die „Stadtführung“ mit Klaus, dem ehemaligen Obdachlosen, beeindruckte. Er hat sieben Jahre auf der Straße gelebt, versuchte immer unauffällig zu sein, aber dabei immer seine Würde zu behalten. Die Begegnung mit einem kleinen Mädchen und ihrer Familie, die ihn dennoch wahrnahmen und sich seiner an nahmen änderte alles. Fast ein Wunder…!

Besuch vieler Projekte

Ein evangelischer Pfarrer erzählte zunächst von auch uns bekannten Problemen. Die Engagierten in der Gemeinde werden älter, tun sich schwer mit neuen Wegen. Ein Satz von ihm blieb hängen: „Ich muss den Leuten klar machen, dass Traditionen nicht heilig sind.“ Die Gruppe sah Kirchenräume, die neu gestaltet und genutzt werden: als Café, Treffpunkt der Gemeinde, Konzerthalle oder sonstiger Veranstaltungsraum. Eine Kirche wurde aus dem alltäglichen Gemeindegeschehen herausgelöst und ist jetzt Zentrum für konkrete Fragen nach den Möglichkeiten von interreligiösem Dialog. In einem abgeteilten Teil einer großen Kirche ist eine kleine Kapelle als „Winterkirche“ entstanden und findet eine rege Nutzung.

Eine Ehrenamtliche machte deutlich, wie wichtig ihr individuelles Engagement in der „Bürgerplattform“ in Neukölln ist. Sie wurde gefragt, ob es ihr Angst macht von immer mehr Menschen mit Migrationshintergrund umgeben zu sein und in der Nähe der „Arabischen Straße“ in Neukölln zu leben. Sie sagte „Nein, weil ich diesen Menschen offen begegne und sie dadurch kennen lernen konnte.“. Mehr Angst macht ihr, dass ihr Kiez mittlerweile der teuerste in Berlin wird und Familien und alte Menschen Sorge haben, ihren Wohnraum zu verlieren.

Glaubenskurs für Glaubensferne?

In Friedrichshain lernten die Kundschafterinnen und Kundschafter eine kirchliche Gruppe kennen, die sich schwerpunktmäßig um geflüchtete Menschen kümmert. Bewegt erzählten sie von der Gewährung des Kirchenasyls sowie der Nacht- und Nebelaktion einer Abschiebung, die sie aber letztlich verhindern konnten. Beeindruckend war auch der Besuch auf dem Friedhof Hohenschönhausen mit seinem „Friedhofsgeflüster“. Ehrenamtliche Mitarbeiter erzählten von dem Projekt, bei dem Trauernden bei einer Tasse Tee oder Kaffee ein Austausch und Gespräche ermöglicht werden. So berichtete ein 80Jähriger, dessen Frau vor einem Jahr gestorben war, wie wichtig diese Einrichtung für ihn ist und dass er jetzt zweimal wöchentlich selber ehrenamtlich zum Gespräch bereitsteht.

Wieder andere Ehrenamtliche teilten ihre Gotteserfahrungen mit den Sauerländer Kundschaftern und erzählten von ihren Straßenexerzitien. Menschen suchen im Alltag der Großstadt Gott und auch sich selber ohne große Vorgaben. Ein Pater der Jesuiten hat einen Glaubenskurs entwickelt, der für einen kirchenfernen Menschen genauso gut sein kann wie für einen Bischof. „Mit dem Glauben wird man nicht fertig“. „Jeder Kurs ermöglicht ein neues Lernen und Erfahren“, sagte er.

Projekte, die irritieren

Beeindruckend war für viele auch die St. Clemens Kirche. Hier sind 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche Anbetung und Beichtgespräche möglich. „Dass so etwas in einer Großstadt wie Berlin geht!“ „Bei uns wäre das schon schwierig.“ waren die Reaktionen.

Abgerundet wurden die Tage von gemeinsamen spirituellen Impulsen in der Kapelle der Unterkunft, um das Erlebte zu ordnen und sacken zu lassen.

„Wenn einer eine Reise tut, dann kann er viel erzählen!“ Was gibt es also vornehmlich zu berichten? Was bleibt hängen? Viele Eindrücke von den Menschen, die wir getroffen haben und die durch ihren persönlichen Einsatz etwas bewegen. Von der Kraft, die auch das Engagement einzelner entwickeln kann. Die Aufforderung loszulegen, einfach zu machen und Scheitern nicht als Niederlage sondern als Lernerfahrung in Kauf zu nehmen. Die Bestätigung, dass es keine Patentrezepte für alle und alles gibt! Menschen und Projekte dürfen und müssen vielleicht sogar irritieren, wenn sie ein deutliches Profil haben. Und abschließend: Wie schön und bereichernd es ist Gleichgesinnte zu finden, die unterstützen und begleiten. Das zeigten die vielen Gespräche und die Atmosphäre innerhalb der Gruppe.

Am Ende steht die gemeinsame Einschätzung, dass sich die „Kundschafterfahrt“ gelohnt hat, die gemeinsame Reise aber Zuhause im Sauerland weiter gehen muss. Weitere Schritte dazu sind bereits in der Planung.

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