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Zwischen klassischem und neuem Ehrenamt

Interview mit Veronika Eufinger vom zap über die aktuelle Situation ehrenamtlich Engagierter

Dass Gesellschaft und Kirche ohne ehrenamtliches Engagement kaum funktionieren würden, darüber dürften sich die meisten Menschen einig sein. Doch wie selbstverständlich ist ehrenamtliches Engagement überhaupt, wie geht es den Ehrenamtlichen aktuell, was hemmt und was fördert ihr Engagement? Darüber haben wir mit Veronika Eufinger, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für angewandte Pastoralforschung (zap) an der Ruhr-Universität Bochum gesprochen. Ehrenamtliches Engagement zählt zu ihren Forschungsschwerpunkten.

Redaktion

Frau Eufinger, was sind das für Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren?

Veronika Eufinger

Natürlich sehr unterschiedliche. Nach aktuellen Forschungen gibt es aber bestimmte Faktoren, die die Wahrscheinlichkeit für ehrenamtliches Engagement erhöhen. Das sind zum Beispiel Mobilität, ein hoher Bildungsgrad, Gesundheit. Und was wir mit Blick auf Kirche festgestellt haben: Ein regelmäßiger Gottesdienstbesuch erhöht die Wahrscheinlichkeit ehrenamtlichen Engagements enorm. 53 % der Menschen, die regelmäßig zur Kirche gehen, sind ehrenamtlich engagiert. Der allerwichtigste Faktor für ehrenamtliches Engagement ist allerdings ein anderer.

Redaktion

Nämlich?

Veronika Eufinger

Der Faktor Zeit. Menschen müssen die Zeit haben sich zu engagieren. Deshalb ist es kein Wunder, dass sich Ehrenamtliche mehrheitlich vor und nach der Berufslaufbahn engagieren. Bei der Kirche sind es vor allem Rentnerinnen und Rentner. Weniger positiv sieht es bei der jungen Generation Z aus, die ihre Berufslaufbahn noch vor sich hat: Nur 6% der ehrenamtlich Engagierten des Erzbistums Paderborn gehören zu dieser Generation.

Redaktion

Können Sie sich eine Gesellschaft ohne ehrenamtliches Engagement vorstellen?

Veronika Eufinger

Ehrlich gesagt nicht. Ehrenamt gibt es in so vielen Bereichen, die ohne dieses Engagement nur schlecht oder gar nicht funktionieren würden. Der Sport zum Beispiel – das ist das größte Feld in Deutschland, in dem sich Menschen ehrenamtlich engagieren. Auch ganz wichtig: die vielen verschiedenen Rettungsdienste. Oder die Pflege. Und Kirche ginge ohne ehrenamtliches Engagement natürlich auch nicht.

„Es gibt das klassische Ehrenamt, das sich dadurch auszeichnet, dass es sehr dauerhaft und langfristig ist. 65 Prozent der Ehrenamtlichen des Erzbistums Paderborn sind kontinuierlich und im Durchschnitt seit 25 Jahren engagiert, ein enorm langer Zeitraum also. Gleichzeitig kommt eine neue Form von Ehrenamt auf. Diese Menschen interessieren sich eher für zeitlich fest umrissene Tätigkeiten. Sie legen ihr Engagement nicht unbedingt auf Dauer an.“

Veronika Eufinger

Redaktion

Haben Sie den Eindruck, dass die Verantwortlichen in Kirche und Gesellschaft um die große Bedeutung des Ehrenamtes wissen?

Veronika Eufinger

Ich glaube, dass das Bewusstsein für die Bedeutung des Ehrenamtes gewachsen ist – und dass man auch sehr gut weiß, dass es nicht selbstverständlich ist. Ein Zeichen dafür sind die Ehrenamtsagenturen, die überall entstehen. Dort wird versucht, eine Tätigkeit zu finden, die zu den Interessen und Zeitbudgets der Menschen passt. Auch bei den Kirchen gibt es das inzwischen. Dass es dort außerdem Stellen für Ehrenamtskoordination gibt oder Schulungen zum Thema Charismenorientierung, ist meiner Meinung nach auch ein Zeichen für gestiegene Wertschätzung.

Redaktion

Kommt das bei den Ehrenamtlichen an?

Veronika Eufinger

Naja. Zur Wahrheit gehört, dass nur 56 Prozent der ehrenamtlich Engagierten im Erzbistum zufrieden damit sind, wie ihre Arbeit wertgeschätzt wird. Da gibt es also noch Luft nach oben. Unsere Studien haben ebenfalls ergeben, dass 74 Prozent dieser Engagierten schon einmal darüber nachgedacht haben, ihr Ehrenamt aufzugeben. Auch bei diesem Wert spielt fehlende Wertschätzung eine Rolle und der Eindruck, dass Bedürfnisse nicht gesehen werden.

Redaktion

Welche Bedürfnisse haben Ehrenamtliche denn?

Veronika Eufinger

Grundsätzlich ist es so, dass sie bei ihrem Engagement Spaß an der Arbeit erleben wollen. Sie wollen Teil einer Gemeinschaft sein und die Möglichkeit haben, Gesellschaft mitgestalten zu können. Außerdem wollen sie auch verantwortliche Tätigkeiten übertragen bekommen – dazu braucht es auf kirchlicher, hauptamtlicher Seite die Bereitschaft, Verantwortung abzugeben. Auch Fortbildungsangebote sind für Engagierte wichtig. Die Bedürfnisse unterscheiden sich inzwischen aber auch, weil es zwei unterschiedliche Typen ehrenamtlich Engagierter gibt.

Redaktion

Was sind das für Typen?

Veronika Eufinger

Es gibt das klassische Ehrenamt, das sich dadurch auszeichnet, dass es sehr dauerhaft und langfristig ist. 65 Prozent der Ehrenamtlichen des Erzbistums Paderborn sind kontinuierlich und im Durchschnitt seit 25 Jahren engagiert, ein enorm langer Zeitraum also. Gleichzeitig kommt eine neue Form von Ehrenamt auf. Diese Menschen interessieren sich eher für zeitlich fest umrissene Tätigkeiten. Sie legen ihr Engagement nicht unbedingt auf Dauer an.

Auch im Erzbistum Paderborn hat das Zentrum für angewandte Pastoralforschung (zap) der Ruhruniversität Bochum eine Umfrage durchgeführ, an der sich im Zeitraum von Mitte März bis Mitte Mai diesen Jahres 738 Ehrenamtliche und Hauptberufliche aus der Diözese beteiligten.

Redaktion

Ist das auch in der Kirche so?

Veronika Eufinger

Die Kirche ist sogar besonders betroffen, weil sie gerade in einem Transformationsprozess von der einen zur anderen Form steht. Das ist eine große Herausforderung. Menschen, die in der Ehrenamtskoordination tätig sind, beschreiben, dass es nicht so leicht ist, beide Formen miteinander in Einklang zu bringen. Und Kirche muss ihre Strukturen an dieses neue Ehrenamt erst anpassen.

Redaktion

Wie kann das gehen?

Veronika Eufinger

Man muss Projekte entsprechend gestalten und die Tätigkeit, die jemand übernehmen soll, eindeutig regeln. Ich werbe dafür, dass die Verpflichtungen vertraglich festgehalten werden und nicht beiläufig und unverbindlich zwischen Tür und Angel ausgehandelt werden. Das gibt den Engagierten Sicherheit, zum Beispiel darüber, dass ihre Tätigkeit nach dem Ablauf der vertraglich vereinbarten Zeit auch wirklich zu Ende ist.

Redaktion

Welchen weiteren Herausforderungen sieht sich Kirche gegenüber?

Veronika Eufinger

Kirche hat ein paar besondere Problemfelder, die mit der kirchlichen Führungskultur beziehungsweise der Hierarchie zusammenhängen. Ehrenamtliche wünschen sich da eine bessere Zusammenarbeit mit Hauptamtlichen. Sie wollen keinen autoritären Umgang, sondern wollen Begegnung auf Augenhöhe und partizipative Entscheidungsfindung. Großes Thema ist natürlich auch das Machtgefälle zwischen Männern und Frauen. Das ist ein Problemfeld, bei dem der Rest der Gesellschaft bereits ein Stück weiter ist. Bei diesen Themen müsste sicher angesetzt werden, um die Bedingungen für ehrenamtliches Engagement in der Kirche zu verbessern.

Redaktion

Welche weiteren Maßnahmen empfehlen Sie der Kirche?

Veronika Eufinger

Zum Beispiel offener, durchlässiger zu werden für die Heterogenität der Gesellschaft. Die Gläubigen, die wir befragt haben, sind skeptisch, ob Kirche einladend ist für Menschen aus anderen Kulturen, aus anderen Milieus, aus anderen Altersgruppen oder ohne Kirchenzugehörigkeit. Das ist in der Tat eine Baustelle für Kirche: Einladender zu sein, um die heterogene Gesellschaft abzubilden.

Ein Beitrag von:
© Besim Mazhiqi/Erzbistum Paderborn
Redaktion

Dr. Claudia Nieser

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© Dr. Claudia Nieser / Erzbistum Paderborn

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