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Beleuchtetes Stadion bei Nacht© Eugene Onischenko / Shutterstock.com

„Ich hoffe, dass man in Zukunft genauer hinsieht“

Susanne Föller, Leiterin des Teams Weltmission-Entwicklung-Frieden im Generalvikariat, zum schwierigen Umgang mit der WM in Katar

Nur noch kurze Zeit, dann beginnt in Katar die FIFA-Fußballweltmeisterschaft der Männer. Im November, zu einem ungewöhnlichen Zeitpunkt. Doch nicht nur deswegen ist das Großereignis hochumstritten. Vor allem wegen der Menschenrechtslage in Katar, den Arbeitsbedingungen beim Bau der Stadien und fehlender ökologischer Nachhaltigkeit stehen Veranstalter und FIFA in der Kritik. Wir haben mit Susanne Föller gesprochen, Leiterin des Teams Weltmission-Entwicklung-Frieden im Generalvikariat: über Menschenrechte, Möglichkeiten für einen kritischen Umgang und über eine WM mitten im Advent.

Redaktion

Schauen Sie gerne Fußball?

Susanne Föller

Ich bin wohl so etwas wie eine „U-Boot-Fußball-Guckerin“. Das sage ich in Anlehnung an die so genannten „U-Boot-Christen“, die ausschließlich an Weihnachten oder Ostern in der Kirche auftauchen und dann wieder weg sind. Entsprechend tauche ich beim Fußball nur zu besonderen Anlässen wie Welt- oder Europameisterschaften auf, am liebsten beim Public Viewing. Und selbstverständlich bin ich dann Deutschland-Fan.

Redaktion

In wenigen Tagen startet die Weltmeisterschaft in Katar. Was wissen Sie über die zum Teil kritischen Umstände?

Föller

Kritik an der Entscheidung der FIFA hat es ja schon 2010 gegeben, als die diesjährige Fußball-WM an Katar vergeben wurde. Seitdem und bis heute ist es nach meinem Eindruck nicht still um diese WM geworden, vor allem wegen ökologischer Aspekte und dem Umgang mit Menschenrechten. Kritisiert wird zum Beispiel, dass gleichgeschlechtlich lebende Menschen in Katar strafrechtlich verfolgt werden sowie die schwierigen klimatischen Bedingungen, die dazu geführt haben, dass die WM nun im Winter stattfindet. Und dann zog natürlich der Bau der Stadien das mediale Interesse auf sich. Man hat immer wieder die menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen angeprangert, die ja viele Todesopfer gefordert haben.

Redaktion

Ein anderer kritisierter Aspekt soll eine besonders frauenfeindliche Justiz in Katar sein, die auch das Hilfswerk missio zum Thema macht. Wie steht es darum?

Föller

Frauen, darunter auch viele Arbeitsmigrantinnen aus anderen Ländern, sind in Katar in gewisser Weise doppelt gefährdet: Zum einen arbeiten sie häufig bis zu 20 Stunden am Tag für einen Hungerlohn, zum anderen werden sie oft Opfer sexueller Gewalt. Die Rechtslage in Katar ist dann besonders fragwürdig: Wenn die Frauen die Täter anzeigen, riskieren sie es, selbst angeklagt zu werden – wegen außerehelichen Geschlechtsverkehrs. Werden sie dann tatsächlich aus diesem Grund verurteilt, haben sie mit Peitschenhieben und einer Gefängnisstrafe zu rechnen. Diese frauenfeindliche Rechtsprechung muss dringend beendet werden. Dafür engagiert sich missio mit der Petition „Frauen schützen in Katar“.

Der katarische Botschafter bezeichnete Homosexuelle zuletzt als Menschen mit "geistigem Schaden". Menschenrechtlerinnen und Menschenrechtler schlagen Alarm und warnen vor Reisen in das Land.
Redaktion

Wegen all dieser Umstände wird von manchen ein Boykott der WM heiß diskutiert. Wie nehmen Sie die Diskussion wahr?

Föller

Da gibt es sehr unterschiedliche Stimmen, und nicht alle empfehlen einen Boykott. Amnesty International zum Beispiel prangert zwar die Menschenrechtsverletzungen an, rät aber von einem Boykott ab. Amnesty-Mitarbeiterin Regina Spöttl betonte, dass es positive Entwicklungen in Katar gebe, die mit einem Boykott wieder um Jahre zurückgeworfen würden.  Die deutsche Sportsprecherin von Transparency International, Sylvia Schenk, weist sogar darauf hin, dass sich „in keinem Land der Welt so viel zum Guten gewendet hat wie in Katar“: die Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen konnten zu positiven Entwicklungen beitragen, von denen andere arabische Länder weit entfernt sind, Mindestlöhne wurden eingeführt, ausbleibende Lohnzahlungen unter Strafe gestellt und das Recht auf Kündigung für die Arbeiterinnen und Arbeiter durchgesetzt.

Redaktion

Gibt es Alternativen zum Boykott, wenn man sich kritisch mit der WM auseinandersetzen möchte?

Föller

Inspirierend finde ich zum Beispiel eine Themenwebsite der Evangelischen Jugend im Rheinland, die ganz viele praktische Beispiele gibt, wie die Zeit der WM in Katar für Bildungsarbeit zu den Themenfeldern Nachhaltigkeit und Menschenrechte genutzt werden kann – nach dem Motto „Bildungsarbeit statt Boykott“.

Ansprechend finde ich auch den WM-Buchclub der Katholischen Studierenden- und Hochschulgemeinde in Münster, in dem gemeinsam das Buch „Das rebellische Spiel – die Macht des Fußballs im Nahen Osten und die Katar-WM“ gelesen und darüber diskutiert wird.

Kleine Bildungsaktionen lassen sich sogar ins Public Viewing in der Pfarrei einbinden. So könnten z. B. in der Halbzeitpause Unterschriften für die eben genannte missio-Petition gesammelt werden. Oder man baut eine Roll-Up-Ausstellung zu globalen Lieferketten auf. Diese ist über die Medienzentren in Paderborn und Dortmund ausleihbar.

Redaktion

Werden Sie die WM schauen?

Föller

Ich persönlich werde die WM nicht schauen. Meine bisherigen WM- und EM-Erfahrungen sind geprägt durch die Zusammenkunft von größeren Menschenmengen, die an öffentlichen Orten bei sommerlichen Temperaturen in bester Laune miteinander feiern. Im Advent finde ich für mich einfach keinen passenden Zugang zu diesem Fußball-Großereignis.

Redaktion

Geht ein Miteinander von Advent und WM?

Föller

Für mich persönlich nicht – rein von der Stimmung her. Mit Blick auf unsere Kirche bin ich der Meinung, dass wir im Advent und in den traditionell besinnlichen Veranstaltungen in dieser Zeit nicht die Augen vor der WM und aller damit verbundenen Kritik verschließen sollten. Wir könnten stattdessen ganz bewusst die Themen Menschenwürde und Menschenrechte, Klimaschutz oder globale Zusammenhänge platzieren. Das kann auch mit Blick auf globale Lieferketten gelingen und der konkreten Frage nach den Produktionsverfahren unserer Textilien oder Smartphones. Das Erzbistum Paderborn ist Unterstützerorganisation der Initiative Lieferkettengesetz, die in diesem Feld politisch agiert. Bei der Konzeption von konkreten Aktionsideen oder der Suche nach Referentinnen oder Referenten stehen wir vom Team Weltmission-Entwicklung-Frieden gerne beratend zur Verfügung.

Redaktion

Glauben Sie, dass aus dieser WM Lehren gezogen werden?

Föller

Ich hoffe, dass der Fußball und Sport allgemein aufgrund der medialen Berichterstattung über Menschenrechts- und Nachhaltigkeitsaspekte in Zukunft insgesamt etwas mehr sensibilisiert wird und genauer hinsieht. Ich kann mir kaum vorstellen, dass in Zukunft deutsche Bundesligaclubs in Doha Wintertrainingslager abhalten können, ohne dass es hierzu öffentliche Kritik hagelt. Positiv finde ich, dass sich auch organisierte Fußballfans kritisch positionieren, wie zuletzt in Spielen in verschiedenen Ligen am vergangenen Wochenende. Ob wir als Deutsche mit den oben genannten Themen im Kontext Fußball ernst machen, können wir dann spätestens 2024 unter Beweis stellen, wenn die Fußball-Europameisterschaft in unserem Land ausgetragen wird. Hier gilt es, dass wir uns als Kirche und als gläubige Menschen im Zusammenspiel mit Sportvereinen und politischen Akteurinnen und Akteuren im Vorfeld für nachhaltige und faire Spiele stark machen.

Tipps für die Praxis:

Die EKD hat eine Arbeitshilfe für Kirchengemeinden und Gruppen zur WM in Katar veröffentlicht. Das Heft bietet vielfältiges Material: Informationen, Bewertungen, ethische Reflexionen und auch geistliche Vorschläge für Andachten und Gottesdienste.

Brot für die Welt hat ein 12seitiges Materialheft erstellt, das viele Impulse für die Bildungsarbeit bietet: Global lernen brisant.

Das Eine Welt Netz NRW hat neue „sportliche“ Methoden des globalen Lernens entwickelt und erprobt. Themen sind: Anti-Rassismus, Frieden, Integration, Menschenrechte und Konsum. Das Besondere ist, dass es nicht nur um Sportthemen geht, sondern die Methoden auch sportliche Elemente beinhalten.

Die Petition „Frauen schützen in Katar“ des Hilfswerks missio setzt sich für ein Ende der frauenfeindlichen Rechtsprechung in Katar ein.

Kampagne „Ziele brauchen Taten – Sport im Westen“ von RENNwest. Im Rahmen der Kampagne sind zahlreiche Materialien und Formate entstanden. Darunter kurze Clips, in denen Sportlerinnen und Sportler je einem der 17 SDGs ihre Stimme leihen, eine Interviewreihe mit Moderator Arnd Zeigler oder Videos zu Nachhaltigkeitsaktivitäten in der Region. Zudem gibt es informative Broschüren, interaktive Webtools und Veranstaltungen.

Eine ausführliche Materialsammlung und Veranstaltungshinweise gibt es auf der Seite der Evangelischen Jugend im Rheinland.

Katar - WM der Schande

Die ARD-Doku „Katar – WM der Schande“ widmet sich aus unterschiedlichen thematischen Blickwinkeln unter anderem den undurchsichtigen Vergabepraktiken der FIFA, den menschenunwürdigen Bedingungen der Gastarbeiter und der politischen Strategie, die Katar mit der WM verfolgt.

Foulspiel mit System

Die Broschüre „Foulspiel mit System“ (zum Bestellen und zum Download) der Rosa-Luxemburg-Stiftung beleuchtet die Hintergründe, diskutiert aktuelle Maßnahmen und skizziert Perspektiven.

Sportindustrie – Moral im Abseits

Die Broschüre „Sportindustrie – Moral im Abseits“ der Christlichen Initiative Romero (CIR) schaut hinter die Kulissen und zeigt aus unterschiedlichen Perspektiven, wie Sportindustrie und Sportartikelhersteller Menschen ausbeuten. Sie beleuchtet die gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Rolle des Sports am Beispiel Fußball.

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