Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen haben oft Schwierigkeiten, Gottesdienste mitzufeiern, weil sie das Gesprochene nicht verstehen oder die Lieder nicht mitsingen können. Deshalb ist es wichtig, Texte, Gebete und Riten so zu gestalten, dass Menschen mit Beeinträchtigungen am Gottesdienst teilnehmen können.
Bereits bei der Vollversammlung der Bischöfe in Wiesbaden im September 2023 wurde über ein liturgisches Hochgebet in Leichter Sprache diskutiert. Nun wurde bei der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz im Februar 2024 ein Hochgebet in Leichter Sprache veröffentlicht. Mehr als zehn Jahre habe die Arbeit an diesem Text gedauert. „Verfasst wurde das Gebet von Seelsorgerinnen und Seelsorgern, die in der Behindertenseelsorge tätig sind und sich mit Leichter Sprache auskennen. So konnte das Hochgebet speziell auf die Bedürfnisse dieser Menschen ausgerichtet werden“, weiß Anja Fecke, Diözesanbeauftragte Seelsorge für und mit Menschen mit Behinderung aus dem Bereich Pastorale Dienste. Zwar gab es in der Vergangenheit bereits ein Hochgebet für Gehörlose und für Kinder, eines für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen hatte jedoch gefehlt.
Im eigenen Umfeld schauen, welche Menschen auf Leichte Sprache angewiesen sind
Wenn Texte und Gebete in Leichte Sprache übersetzt werden, können Menschen mit kognitiven Einschränkungen diese besser verstehen. Leichte Sprache verzichtet auf komplizierte Satzkonstruktionen und Fremdwörter. Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen sind auf Sprachformen mit präsentischen Handlungsabläufen und verbalen Botschaften angewiesen, die in der Regel aus zwei bis drei oder sechs bis acht Wörtern bestehen: Keine Fremdwörter, kurze Sätze und alle Sätze in der Gegenwarts-Form.
Das neue Hochgebet in Leichter Sprache basiert auf dem Hochgebet II des Messbuchs und wird von einer pastoralen Einführung begleitet. Mit diesem Gebet hoffen die Bischöfe, dass sie kognitiv beeinträchtigten Menschen die aktive Teilhabe am Gottesdienst erleichtern oder überhaupt erst ermöglichen. „Ich empfehle allen, sich dieses Hochgebet anzuschauen und zu überlegen, ob es auch im eigenen Umfeld Menschen gibt, die auf ein solches Gebet angewiesen sind. Am Gottesdienst aktiv mitfeiern kann ich doch nur, wenn ich auch alles verstehe und mich zu Hause fühle“, betont Fecke.
Sie ist überzeugt davon, dass mit dem neuen Hochgebet ein guter Kompromiss für alle Menschen mit Beeinträchtigungen gefunden wurde. „Auch Menschen mit kognitiven Einschränkungen sind traditionsbewusst“, sagt Fecke. So bleiben bei der Übersetzung des Gebets in Leichte Sprache wesentliche Elemente der Originalfassung erhalten, darunter beispielsweise der Einleitungsdialog der Präfation, Sanctus, Einsetzungsworte, Akklamation nach den Einsetzungsworten sowie die Doxologie.
An Lebenswelt von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen anknüpfen
Zudem soll die Textform helfen, Zeichen und Handlungen besser zu verstehen und an die aktuelle Lebenswelt von Menschen mit Beeinträchtigungen anknüpfen. Sie sollen dadurch auch die Zuwendung Gottes sowie die Einbindung in den Gottesdienst erfahren. Das Hochgebet in Leichter Sprache ist für Anja Fecke eine logische Erweiterung für Menschen mit kognitiven Einschränkungen. So gab es bereits Evangelien in Leichter Sprache, nun folgt das Hochgebet. Wenn dann auch noch Tagesgebete hinzukämen, die ebenfalls in Leichte Sprache übertragen werden würden, wären vollkommen inklusive Gottesdienste möglich.
Anja Fecke ist fest davon überzeugt, dass alle Menschen von dem neuen Hochgebet in Leichter Sprache profitieren, unter anderem auch Menschen, die über keine ausgeprägten Deutschkenntnisse verfügen. Zudem verweist sie auf das Grundgesetz, indem die religiöse Teilhabe jedem Menschen ermöglicht sein soll: „Es ist ein Menschenrecht, den Gottesdienst so mitzufeiern, dass jeder weiß, was er feiert.“ Wer sich weiterführend mit Gebeten und Arbeitshilfen in Leichter Sprache beschäftigen möchte, findet mehr Informationen im Internet unter https://www.dbk-shop.de/de/publikationen/arbeitshilfen.html