Warum treten Menschen aus der Kirche aus?
Die Gründe, warum sich jemand entscheide, aus der Kirche auszutreten, seien unterschiedlich, so die Ansprechpartnerin für den Dialog mit Ausgetretenen und Austrittswilligen. Natürlich habe das Bekanntwerden des Missbrauchsskandals Anfang der 2010er Jahre zu einer enormen Austrittswelle geführt, jedoch müsse man genauer hinschauen, um zu erklären, warum sich jemand entscheiden würde, seiner Kirche den Rücken zu kehren.
Im Rahmen ihrer Präsentation stellt Ruth Nefiodow einige der wesentlichen Gründe vor. „Man muss hier unterscheiden zwischen Gründen, die innerhalb der Kirche zu finden sind, wie eben die zahlreichen Missbrauchsfälle und der Umgang der Kirchen damit mancherorts“, erklärt sie. Es gebe aber auch Gründe, auf die Kirche primär keinen Einfluss habe. Die Einführung des Solidaritätszuschlags Anfang der 90er Jahre sei so ein Grund. Eine Vielzahl von Menschen habe sich damals zum Austritt entschieden, um keine Kirchensteuer mehr zahlen zu müssen, da sie nun an anderer Stelle Abgaben zu leisten hatten. Auf eine solche Entscheidung habe die Kirche keinen Einfluss und trotzdem habe sie zu einer hohen Austrittswelle geführt.
Neben den bereits dargestellten Gründen markiere auch der Eintritt ins Berufsleben einen Punkt, an dem sich viele junge Menschen entscheiden würden, aus der Kirche auszutreten. „Man muss sich nun erstmals mit einem eigenen Einkommen auseinandersetzen. Auch hier entscheiden sich Leute aus finanziellen Gründen zum Austritt, um keine Steuer mehr für eine Kirche zahlen zu müssen, mit der sie nicht zu tun haben“, erläuterte Ruth Nefiodow. Im Hinblick auf die Statistik lasse sich aber sagen, dass sich die Zahlen mit zunehmendem Alter verringerten. Je älter man werde, umso seltener trete man aus der Kirche aus, wobei in den letzten Jahren auch bei älteren Menschen die Austritte zugenommen hätten. Hauptgrund für die Kündigung der Kirchenmitgliedschaft sei laut der Kirchenaustrittsforschung der letzten Jahre die Irrelevanz von Kirche und Glaube: Beides spiele für die Menschen in unserer Gesellschaft kaum mehr eine Rolle.