Der kürzlich zu Ende gegangene Synodale Weg steht im Mittelpunkt der 4. Frauenkonferenz am 29. April 2023 in Werl. Bei der Konferenz dabei sind auch vier Frauen, die als Delegierte bei den Synodalversammlungen dabei waren: Michaela Labudda (Dekanatsreferentin im Dekanat Hellweg), Nadine Mersch (Vorsitzende des Diözesankomitees), Marie-Simone Scholz (Gemeindereferentin im Pastoralverbund Paderborn-NOW) und Finja Miriam Weber (Ehrenamtlich engagiert bei der DPSG). Im Rahmen einer Podiumsdiskussion auf der Frauenkonferenz werden sie mit den Teilnehmerinnen darüber diskutieren, was die Beschlüsse bedeuten und wie es mit dem Thema Frauen im Erzbistum nun weitergeht. Wir haben uns vorab mit den Vieren zum Interview getroffen und auf den Synodalen Weg zurückgeblickt.
„Die Argumente liegen nun unmissverständlich auf dem Tisch“
Wenn Sie jetzt auf die letzte Synodalversammlung schauen – mit welchen Eindrücken tun Sie das?
Ich kann meine aktuelle Gefühlswelt sehr schlecht auseinander dividieren. Ich blicke mit großer Nüchternheit zurück, wegen der kurzfristigen Änderungswünsche aus der Deutschen Bischofskonferenz, die manche Beschlüsse noch mal abgeschwächt haben. Andererseits ist beim Synodalen Weg auch etwas ins Rollen gekommen – allerdings in Trippelschritten. Ich bin daher weder euphorisch noch am Boden zerstört.
Ich finde auf der einen Seite, dass wir viel geschafft haben. Zum Beispiel können wir stolz darauf sein, dass der Handlungstext zum Umgang mit geschlechtlicher Vielfalt durchgekommen ist. Aber andererseits wurden Beschlüsse zu meinem Herzensanliegen, der Rolle von Frauen in der Kirche, abgeschwächt. Das tut weh.
Mich beschäftigt immer noch das Dilemma der letzten Synodalversammlung, das durch die kurzfristigen Änderungswünsche der DBK ausgelöst wurde: Als Laien hatten wir keine gemeinsamen „roten Linien“ definiert. Somit blieben wir mit den schwerwiegenden Entscheidungen individuell. Lehnen wir die Wünsche und damit auch die Texte ab und lassen somit den die wichtigen Anliegen des Synodalen Weges komplett sterben? Oder verzichten wir auf der letzten Etappe auf Autonomie und Augenhöhe? Ich habe mich für letzteres entschieden, aber das macht sehr viel mit mir. Wenn ich analytisch auf den Weg blicke, sehe ich natürlich auch, dass wir trotz allem einiges geschafft und in wenigen Punkten auch Neuland betreten haben.
Bei mir überwiegt aktuell die Ernüchterung. Es war natürlich nicht alles schlecht, aber die Erfahrung, wie sich Machtstrukturen in der Kirche dann letztlich durchsetzen, das hat mich negativ beeindruckt.
Gab es ein Ereignis des Synodalen Weges, das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?
Das war der Moment bei der vierten Synodalversammlung, als der Grundtext zum Thema „Leben in gelingenden Beziehungen“ abgelehnt wurde. Da wurde es sehr emotional, weil das für viele Menschen sehr wichtig war.
Für mich war das auch der Schlüsselmoment. Da wurde deutlich, wie emotional verhaftet die Menschen mit dem Prozess sind. Keinem war egal, was da passiert ist. Der Text ist kalt an den Mauern der Macht gescheitert. Es fällt mir immer noch schwer, daran zu denken.
Das war sicher ein entscheidender Moment. Aber es gab auch andere Momente. Etwa bei der Synodalversammlung im Februar 2021, als zum ersten Mal Vertreterinnen und Vertreter des Betroffenenbeirates der DBK dabei waren. Das hat uns unseren Auftrag, in dem wir unterwegs sind, ganz deutlich vor Augen geführt. Und ich bin beeindruckt davon, wie die drei Vertreter:innen trotz ihrem Leid in der Kirche konstruktiv für Erneuerung kämpfen.
Für mich war das Scheitern des Grundtextes ein Wach-auf-Moment, der deutlich gemacht hat, dass wir klarer werden und die Bischöfe in die Verantwortung nehmen müssen. Deshalb war dies ein wichtiger Moment für die Versammlung. Für mich gab es aber auch viel Positives, vor allem die vielen persönlichen Gespräche mit Synodalinnen und Synodalen.
Das ist mir auch ganz wichtig. Es gab sehr viele positive Momente. Zum Beispiel die Beiträge der externen Resonanzgeber. Da haben wir gemerkt, dass wir gemeinsam getragen sind auf dem Weg und ein ähnliches Ziel im Blick haben.
Informationen zum Synodalen Weg
Der Synodale Weg der katholischen Kirche in Deutschland endete mit der fünften Synodalversammlung (9. bis 11. März 2023). Informationen zum Verlauf und den Beschlüssen gibt es auf der offiziellen Seite des Synodalen Weges:
Informationen zum Synodalen Weg im Erzbistum Paderborn gibt es hier:
Das Thema „Frauen und Kirche“ kam in sehr vielen Beratungen vor. Welcher der vielen Aspekte, über die beraten wurde, war Ihnen am wichtigsten?
Mir ging es um die volle Gleichberechtigung von Frauen und allen Menschen auf allen Ebenen, ganz egal, wie ich mich fühle, wen ich liebe und so weiter. Wenn ich realistisch bin, haben wir das nicht erreicht. Wir haben höchstens das beschlossen, was möglich war.
Ich will gar keinen einzelnen Handlungstext hervorheben. Dass der Grundtext des Forums „Frauen in Diensten und Ämtern“ beschlossen wurde, mit seiner biblischen Grundlegung, fand ich herausragend. Ich fand es auch gut und wichtig, über Geschlechtergerechtigkeit sprechen zu können und dabei alle Geschlechter im Blick zu haben.
Ich fand es wichtig, dass wir im Forum „Leben in gelingenden Beziehungen“ deutlich gemacht haben, dass die Sexuallehre der Kirche Auswirkungen auf das Leben von Menschen hat und dass Frauen besonders davon betroffen sind. Es ist entscheidend anzuerkennen, dass die Kirche da viel Leid über Menschen gebracht hat, vor allem über Frauen.
Ich denke an den Grundtext des Forums „Priesterliche Existenz heute“, in dem wir festgestellt haben, dass die priesterliche Berufung keine reine Priesterberufung ist. Alle, die ihrer Taufberufung folgen, folgen ihrer priesterlichen Berufung. Und wenn das ernst genommen wird, dann muss es nicht zu einem Ungleichgewicht führen, wenn es eine besondere Berufung ins Priesteramt gibt.
Hat der Synodale Weg als gesamter Prozess für Frauen in der Kirche etwas nach vorne bringen können?
Meiner Meinung nach liegen die theologischen Argumente zu der Thematik Gleichberechtigung und Weiheämter für Frauen nun unmissverständlich und gebündelt auf dem Tisch. Und wir konnten noch mehr darauf aufmerksam machen, dass es in der Kirche tatsächliche Diskriminierung gibt.
Der eigentliche Durchbruch besteht darin, dass wir sagen können: Der Ausschluss der Frauen von den Ämtern ist diskriminierend. Und Geschlechtergerechtigkeit ist keine Maximalforderung.
Ich beobachte, dass Frauen selbstbewusster geworden sind. Wenn zum Beispiel in einem Gottesdienstentwurf für einen Frauengottesdienst Passagen von einem Priester einfach gestrichen werden, dann machen die Frauen das nicht mehr mit.
Immer mehr Frauen sagen inzwischen: Wir machen es selbst! Wir haben Charismen und wir wollen sie einsetzen. Und sie haben das Selbstbewusstsein, das einzufordern.
Frauen im Erzbistum Paderborn
Themen wie Geschlechtergerechtigkeit, Sichtbarkeit, Förderung und Wertschätzung von Frauen im kirchlichen Leben stehen im Erzbistum Paderborn dauerhaft auf der Agenda. Einen Überblick über die verschiedenen Angebote, Projekte und Strukturen bietet die Internetseite „Frauen im Erzbistum Paderborn“.
Was wäre für Sie ein ideales Ergebnis des Synodalen Weges gewesen?
Ich blicke da vor allem auf den gesamten Prozess. Ideal wäre es gewesen, wenn es durchgängig partizipativ und transparent zugegangen wäre.
Ich hätte mir mehr Augenhöhe gewünscht, aber das war scheinbar nicht möglich.
Ideal wäre es, wenn die Bischöfe nun einmütig und gemeinsam Beschlüsse umsetzen würden uns die Voten an den Vatikan engagiert vertreten. Und es wäre doch super gewesen, wenn der Nuntius die Botschaft für uns gehabt hätte: Danke, liebe Gläubige, dass ihr diesen Zukunftsbeitrag geleistet habt.
Und wenn man an der Spitze der Kirche gemerkt hätte, dass unsere Anregungen und Wünsche keine Launen sind, sondern aktuelle Themen, für die wir jetzt Lösungen brauchen.
Anlass des Synodalen Weges war der Missbrauchsskandal. Warum ist es wichtig, in diesem Kontext auch über Frauen und ihre Rolle in der Kirche zu sprechen?
Vom Missbrauch waren auch Frauen betroffen. Im Berufsverband der Gemeindereferentinnen und -referenten haben wir eine Studie in Auftrag gegeben, der den Machtmissbrauch dokumentiert, der in dieser Berufsgruppe vorgekommen ist.
Gemischte Strukturen, in denen unterschiedliche Geschlechter Verantwortung tragen, sind weniger anfällig für Übergriffe, Grenzüberschreitungen, sexuelle Gewalt und Vertuschung. Und dann ist der Blick der Kirche auf Geschlechtlichkeit und Sexualität lange ausschließlich von Männern einer bestimmten Zeit geprägt worden. Das hat mit dazu beigetragen, dass es keinen offenen Umgang gab mit Sexualität und erst recht nicht mit Missbrauch.
Das Verhältnis zwischen Priestern einerseits und Laiinnen und Laien andererseits asymmetrisch, weil Priester mehr Macht haben. Im Verhältnis von Priestern und Frauen, also weiblichen Laien, ist diese Asymmetrie noch stärker, weil Frauen nicht Priesterin werden können. Es ist wichtig, auch das im Blick zu haben.
Und gleichzeitig gehören Frauen natürlich auch zum System Kirche. Besonders die Studie im Bistum Münster hat das Phänomen der Bystander beleuchtet. Dazu gehören auch Frauen, die begünstigen oder vertuschen, obwohl sie keine machtvollen Positionen innehaben, manchmal vielleicht sogar, weil sie in systemischen Abhängigkeiten stehen.
4. Frauenkonferenz im Erzbistum Paderborn
Am 29. April 2023 findet die 4. Frauenkonferenz im Erzbistum Paderborn statt. Der 29. April ist der Gedenktag der heiligen Katharina von Siena. Gleichzeitig begehen seit 1998 der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB), die kfd, das Netzwerk Diakonat der Frau und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken diesen Tag als Tag der Diakonin . Inhaltlich wird es bei der 4. Frauenkonferenz um die Frage gehen, was der Synodale Weg der katholischen Kirche in Deutschland für die Geschlechtergerechtigkeit in der Kirche bringt.
Ist dort, wo Sie arbeiten, der Synodale Weg ein Thema?
Ich habe sehr viele Anfragen aus dem Erzbistum bekommen mit der Bitte um Austausch, vor allem von Pfarrgemeinderäten und Gemeindegruppen, weniger von Hauptamtlichen. Ich bin ziemlich im Erzbistum rumgekommen. Die Anfragen bezogen sich auf den Synodalen Weg allgemein oder auch speziell auf das Frauenthema.
Der Synodale Weg ist ein großes Thema, und es interessiert schon viele, was dort passiert ist. Nun gibt es eine große Ungeduld, dass die Beschlüsse umgesetzt werden. Ich glaube aber auch, dass inzwischen ein Stück Ernüchterung da ist, weil am Ende nur wenige Punkte entschieden wurden. Trotzdem: Es sollte jetzt umgesetzt werden, was möglich ist. Übrigens ist das Interesse auch außerhalb der kirchlichen Strukturen groß.
Egal, wo ich in den vergangenen Jahren war, das Interesse war eigentlich immer groß, auch dort, wo ich nicht damit gerechnet habe. In Schulen zum Beispiel waren auch Kinder und Jugendliche interessiert, was beim Synodalen Weg passiert. Wobei sie es manchmal mit der Frage verbanden, wieso man zum Beispiel für Gleichberechtigung kämpfen muss.
Ich bin ja in verschiedenen Rollen unterwegs, für den Bundesverband der Gemeindereferentinnen und -referenten und für das Dekanat. Dabei hat man mir auch das Label der Revoluzzerin angehängt, was mich am meisten gestört hat. Zunächst habe ich erlebt, dass ich als Synodale belächelt oder ignoriert worden bin. Inzwischen hat sich das aber geändert. Vor der fünften Synodalversammlung haben mir viele versprochen, für ein gutes Ende des Synodalen Wegs zu beten.
Was könnte der Synodale Weg in ihrem Arbeitsfeld bewirken?
Ich hoffe, dass die Beschlüsse nach und nach in die pastorale Praxis einsickern.
Ich hoffe, dass sich eine erneuerte Sexualethik durchsetzt und dass sich die verlässlichen Vertretungsstrukturen von Laien gut weiterentwickeln.
Aus ehrenamtlicher Sicht hoffe ich, dass ich wertgeschätzt und wahrgenommen werde. Und von den Hauptamtlichen wünsche ich mir, dass sie offen sind für Vorschläge und sie mit uns ausprobieren.
Ich hoffe, dass sich eine partizipative Arbeitsweise immer mehr institutionalisiert, egal, ob man jetzt eine Veranstaltung plant oder nach Themen sucht.
Welche Rolle könnte die Frauenkonferenz auf dem Weg der Umsetzung der Beschlüsse spielen?
Die Konferenz ist ein wichtiger Punkt, um deutlich zu machen, welche Erwartungen im Erzbistum da sind und zu zeigen, wie das Erzbistum mit den Beschlüssen umgeht.
Es ist auch eine Möglichkeit, um über den Synodalen Weg zu informieren. Es sind Frauen da, die voll im Thema sind, und wir können Frauen, die dies noch nicht sind, etwas an die Hand geben.
Das Frauenthema ist wesentlich für die Kirche und es ist wichtig, jetzt umzusetzen, was geht. Die Frauenkonferenz ist eine willkommene Gelegenheit, die Themen zu implementieren.