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© Constantin Stanciu / Shutterstock.com

„Glaube kostet kein Geld“

Abschieds-Interview mit Dirk Wummel kurz vor seinem Eintritt in den Ruhestand

Seit genau 20 Jahren leitet Dirk Wummel den Bereich Finanzen im Erzbischöflichen Generalvikariat. Er war der erste Laie im Erzbistum Paderborn, der zum Finanzdirektor ernannt worden ist, hat 2014 mit dem Finanzbericht erstmals das Vermögen des Erzbistums offengelegt und in 20 Jahren nie einen negativen Haushalt aufgestellt oder einen negativen Jahresabschluss präsentiert. Im August endet für Dirk Wummel sein Dienst beim Erzbistum Paderborn und er verabschiedet sich in den wohlverdienten Ruhestand. Wir haben uns daher noch einmal mit ihm getroffen und gemeinsam auf seine Zeit beim Erzbistum zurückgeblickt und geschaut, was ihn geprägt hat und auch gefragt, wofür er eigentlich gerne mehr Geld gegeben hätte.

Redaktion

Herr Wummel, Ihre Position beim Erzbistum war zuvor nur hohen, geistlichen Herren vorbehalten. Sie waren der erste Laie in diesem Amt, wie waren die Reaktionen darauf?

Dirk Wummel

Am Anfang habe ich schon gespürt, dass manche mir mit einer gewissen Skepsis gegenübergetreten sind. Auch für das Erzbistum war dies ein mutiger Schritt. Viele haben sich sicher gefragt: Versteht dieser Banker die Pastoral wirklich? Doch ich bin schon mein Leben lang in der katholischen Kirche sozialisiert und engagiert und habe versucht mein Wissen über pastorale Themen kontinuierlich zu verbessern und somit Vertrauen aufzubauen.

Redaktion

Wie ist Ihnen das gelungen?

Wummel

Ich habe stets versucht von der Pastoral, von den Gläubigen, her zu denken, denn die Finanzen des Erzbistums sind kein Selbstzweck, sondern stehen im Dienst der Glaubensverkündigung und Caritas. Was für die Gestaltung meiner Arbeit sehr wichtig und gewinnbringend war, war stets das Knowhow der Mitarbeitenden und Ehrenamtlichen ernst zu nehmen und abzurufen. Ich bin im Schnitt zweimal in der Woche in Gemeinden im Erzbistum unterwegs und habe bei diesen Gesprächen an der Basis enorm viel gelernt.

Redaktion

Was zum Beispiel? Beziehungsweise warum hat das Ihre Arbeit so besonders gemacht?

Wummel

Die Finanzverwaltung eines Erzbistums ist enorm vielfältig. Wir vertreiben nicht, wie beispielsweise ein Wirtschaftsunternehmen, ein einzelnes Produkt oder eine bestimmte Dienstleistung. Unser Engagement reicht von A wie Armutsfragen, über C wie Caritas bis hin zu Z wie Zeltkirche. Wir sind irrsinnig breit aufgestellt, was meine Arbeit immer sehr geprägt und für mich sehr interessant und abwechslungsreich gestaltet hat. So konnten wir auch in die Pastorale und in die Caritas hinein Akzente setzen, wie zum Beispiel mit dem Innovationsfonds für pastorale Projekte und dem Flüchtlingsfonds, aber haben auch die Bewahrung der Schöpfung mit Hilfe des Klima-/Ökofonds unterstützt, um ein weiteres Beispiel zu nennen.

© Anna-Sophie Meyer / Erzbistum Paderborn
Redaktion

Ich kann mir auch vorstellen, dass die Offenlegung der Finanzen des Erzbistums Ihre Arbeit ebenfalls sehr geprägt hat?

Wummel

Oh ja, definitiv. Ich kann eindeutig sagen, dass die ersten zehn Jahre meiner Tätigkeit beim Erzbistum bedeutend ruhiger waren, was die mediale Aufmerksamkeit angeht, als die zweite Hälfte ab 2014.

Redaktion

Als damals zuerst andere Bistümer ihr Vermögen offengelegt haben, die Erzbistümer Köln und München und Freising waren vor Paderborn dran, was ist Ihnen da durch den Kopf gegangen? Sie wussten ja schon, dass das Vermögen im Erzbistum Paderborn noch größer sein wird.

Wummel

Das stimmt. Ich habe das mediale Erdbeben, was da auf uns zurollen würde, direkt kommen sehen. Das beschauliche Erzbistum Paderborn, aus der tiefen Provinz Ostwestfalens und dem Sauerland, vermögender als die großen Erzbistümer Köln und München, das würde enorme Aufmerksamkeit hervorrufen. Als der Tag der Pressekonferenz schließlich anstand, habe ich nichts anderes getan als Interviews zu geben. So viel Aufmerksamkeit waren wir nicht gewohnt. Das war definitiv ein Tag der besonderen Art, seitdem stehen die Finanzen überall im Fokus.

Redaktion

Dabei sind Sie eigentlich kein Mensch, der gerne in der ersten Reihe steht, nicht wahr?

Wummel

Das ist richtig, einen Herrn Wummel werden Sie nie in einer Talkshow sehen (lacht), obwohl es diese Anfragen schon gab. Doch ich bin sehr gut damit gefahren eher im Hintergrund zu bleiben. Dort durchaus einflussreich, denn es ist uns einige Male gelungen auch über das Erzbistum hinaus in die Deutsche Bischofskonferenz hinein wichtige Akzente zu setzen beispielweise mit dem Interdiözesanen Sicherungsfonds. Ich bin ein Teamplayer, in der ersten Reihe habe ich mich nie gesehen.

Ich habe das mediale Erdbeben, was da auf uns zurollen würde, direkt kommen sehen. Das beschauliche Erzbistum Paderborn, aus der tiefen Provinz Ostwestfalens und dem Sauerland, vermögender als die großen Erzbistümer Köln und München, das würde enorme Aufmerksamkeit hervorrufen.

Dirk Wummel
Redaktion

Wie hätten Sie denn Ihre Rolle, ihre Arbeit, beschrieben?

Wummel

Ich würde mich als Gestalter bezeichnen. Ich mag keine ruhigen Tage und bin gerne unterwegs. Mein Arbeitstag beginnt meist um sieben Uhr und kann, wenn ich in Gemeinden unterwegs bin, auch bis 22 Uhr dauern. Aber das macht mir nichts, mir gefällt der Trubel.

Redaktion

Dann wird der Eintritt in den Ruhestand aber eine extreme Veränderung für Sie werden. Oder haben Sie bereits Pläne geschmiedet?

Wummel

Nein, ich habe wirklich gar keine Pläne bisher gemacht. Keine Projekte, kein Ehrenamt, ich möchte einfach einmal auf Null herunterfahren und dann schauen, was sich ergibt. Und darauf freue ich mich sehr.

Redaktion

Was werden Sie von Ihrer Arbeit vermissen?

Wummel

Die täglichen, unterschiedlichen Impulse, die ich im Laufe des Tages erhalte. Ich bin stets auf dem Laufenden geblieben, was die Entwicklungen in der katholischen Kirche betreffen. Ich habe jeden Tag Kontakt zu den unterschiedlichsten Menschen, die mich inspirieren. Und natürlich meine Mitarbeitenden, die mich all die Jahre unterstützt und mir dabei geholfen haben meine verrückten Ideen umzusetzen.

Redaktion

Verrückte Ideen? In der Finanzabteilung?

Wummel

Die gab es durchaus. Zumindest aus der Sicht einer Finanzabteilung. Mein liebstes Beispiel hierfür ist die „Sonderkirchensteuer“, die 2022 auf die Energiepauschale angefallen ist und somit eine ungeplante Einnahme für die Kirchen war. Alle Kirchen haben diese Einnahmen für soziale Projekte eingesetzt. Konkret für Menschen, die durch die gestiegenen Energiekosten finanziell belastet wurden. Diese Vereinbarung wurde während meiner Zeit als Vorsitzender der Steuerkommission des VDDs mit den evangelischen Landeskirchen geschlossen. Einen solchen „ökumenischen Pakt“ hat es vorher noch nie gegeben.

© Anna-Sophie Meyer / Erzbistum Paderborn
Redaktion

Wenn Sie jetzt zurückblicken, gibt es etwas, wofür Sie gerne mehr Geld gegeben hätten, es aber nicht konnten?

Wummel

Im Erzbistum nicht. Ich bin froh sagen zu können, dass wir in meiner Zeit als Finanzdirektor alle pastoral notwendigen Projekte finanzieren konnten.
Wenn ich mir aber etwas wünschen könnte oder einfach so zehn Millionen Euro für einen bestimmten Zweck geben könnte, dann würde ich mit dem Geld einen Fonds gründen, mit dem Menschen geholfen werden kann, die Wunden des Krieges davongetragen haben. Insbesondere in der Ukraine und im Gaza Streifen.

Redaktion

Seit dem 1. Juli ist ihr Nachfolger Volker Mauß im Haus, um sich auf seine neue Aufgabe vorzubereiten. Wie laufen die kommenden Wochen der Vorbereitung ab?

Wummel

Der Hauptunterschied ist, dass es uns von diesem Montag an nur noch als Team geben wird. Wir bestreiten alle anstehenden Termine gemeinsam und den übrigen Arbeitstag wird Herr Mauß mit allen Abläufen im Haus bekannt gemacht. Auch beim Abteilungsleiterausflug und beim Kirchensteuerrat war er schon dabei.

Redaktion

Was werden Sie ihm mit auf den Weg geben, welches Tipps haben Sie?

Wummel

Ich möchte Herrn Mauß keine konkreten Tipps ungefragt geben, er soll seine eigenen Erfahrungen machen und sich nicht durch mich beeinflussen lassen. Wie jeder neue Mitarbeitende im Haus soll er seine eigenen Akzente setzen und kann gerne Dinge anders machen als ich. Genauso wie ich zu Beginn nicht alles meinem Vorgänger gleich gemacht habe.

Was ich weiß, und das sage ich voller Demut und Gottvertrauen, ist, dass es die katholische Kirche auch in 100 Jahren noch geben wird. Auch in 100 Jahren werden wir noch unseren christlichen Glauben feiern. Ganz bestimmt anders als heute, aber hoffentlich fröhlich und zuversichtlich.

Dirk Wummel
Redaktion

Wo wir gerade beim Thema Veränderungen sind, was denken Sie, wie sieht die Zukunft der katholischen Kirche aus?

Wummel

Es kommen keine einfachen Zeiten auf uns Gläubige und auf unsere Kirche zu. Vieles wird weniger werden. Die Ressourcen, personell sowie finanziell, nehmen ab, die Zahl der Gläubigen wird drastisch sinken. Wie man auf diese Veränderungen reagieren kann? Ich weiß es nicht.

Aber was ich weiß, und das sage ich voller Demut und Gottvertrauen, ist, dass es die katholische Kirche auch in 100 Jahren noch geben wird. Auch in 100 Jahren werden wir noch unseren christlichen Glauben feiern. Ganz bestimmt anders als heute, aber hoffentlich fröhlich und zuversichtlich. Und auf meinen vielen Reisen durch die Welt habe ich gelernt, dass wir in Deutschland nur ein kleiner Mosaik-Stein sind, betrachtet man das große katholische Universum, und dort lebt Kirche bescheidender, demütiger. Und nicht vergessen: wir haben in unserer 2000-jährigen Geschichte schon viele Krisen überstanden.

Redaktion

Und als letzte Frage: Was wünschen Sie dem Erzbistum Paderborn konkret für die Zukunft?

Wummel

Rein wirtschaftlich wünsche ich ihm, dass es auch weiterhin auf solide Finanzen schauen kann, um agieren statt reagieren zu können. Und dass das Erzbistum eine klare Prioritätensetzung und Strategie über pastorale Ziele entwickelt. Das ist meiner Meinung nach bisher noch nicht vollständig gelungen. Bitte nicht vergessen: Wir alle sind aufgerufen unseren Teil zu tun, um Kirche zu einem lebendigeren Ort zu machen, denn was für mich letztendlich immer wichtig war und wovon ich zutiefst überzeugt bin, ist, dass Glauben kein Geld kostet!

Vielen Dank für das Gespräch!

Ein Beitrag von:
© Besim Mazhiqi
Redakteurin

Lena Jordan

© Besim Mazhiqi / Erzbistum Paderborn
Fotos

Anna-Sophie Meyer

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