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© Andrey_Popov/Shutterstock.com

Halt geben, statt zu diskriminieren

Blog-Beitrag von Generalvikar Alfons Hardt

Für immer mehr Menschen ist Kirche nur noch fragwürdig, ganz aktuell wieder mit Blick auf das Missbrauchs-Gutachten aus dem Erzbistum München und Freising oder auf die Haltung der Kirche zu Menschen, die queer leben und lieben. Rückmeldungen aus unseren Kirchengemeinden zeigen mir immer wieder, wie sehr beide Themenkomplexe die Haupt- und Ehrenamtlichen vor Ort umtreiben: Wenn sie mit drängenden Fragen dazu konfrontiert werden, wissen sie – oft auch aus eigener Fassungslosigkeit – keine Antwort mehr.

Zu den konkreten Dingen, die jetzt im Erzbistum München und Freising erörtert werden, können wir uns im Erzbistum Paderborn nicht äußern. Aber Fragen werden uns als Kirche zu Recht gestellt. Auf viele dieser Fragen haben wir derzeit noch keine Antwort. Die kirchliche Lehre ist eine Grundlage unserer weltkirchlichen Gemeinschaft, die wir nicht mit einem Handstreich einfach wegwischen können. Dennoch: Schon jetzt gibt es in unserer Kirche ein aufrichtiges Ringen um viele Themen – aus diesem Grund gehen wir gemeinsam den Synodalen Weg. Unverrückbares Fundament dieses Ringens und unseres Christ-Seins ist die Frohe Botschaft. Und eines steht fest: Im Licht des Evangeliums darf es keinen Missbrauch von Schutzbefohlenen und keine Diskriminierung von Menschen geben.

Es braucht deutliche Zeichen

Alle Menschen sind in der Kirche willkommen, ganz gleich mit welcher sexuellen Orientierung sie leben und lieben. Eine Seelsorge, deren Maßstab das Evangelium ist, darf niemanden missbrauchen und ausschließen. Im Kern geht es ohne Ausnahme um die Liebe Gottes und um seine Beziehung zu Mensch und Schöpfung. Kirche muss für alle da sein. Opfer sexuellen Missbrauchs, aber auch queere Menschen haben in der Vergangenheit in Gesellschaft und Kirche viel Leid erfahren und nicht die bedingungslose Wertschätzung gespürt, die jedem Menschen als Geschöpf Gottes zusteht. Kirche hat an der Seite aller Menschen zu stehen und dazu beizutragen, dass erfahrenes Unrecht und Leid überwunden werden. Es braucht deutliche Zeichen, dass Kirche eine lebendige und vielfältig ausgestaltete Glaubensgemeinschaft ist und es in ihr aus dem Glauben heraus weder einen Missbrauch noch eine Diskriminierung menschlichen Lebens gibt und geben darf.

Differenzierter Dialog nötig

In der Theologie befindet sich die Kirche hinsichtlich des Umgangs mit queer lebenden Menschen im Austausch mit den Humanwissenschaften in einer komplexen Diskussion. Dialog und Verständigung müssen dabei jedoch differenziert geführt werden. Das ist leider oft nicht der Fall und, ja, das ist herausfordernd. Wir stehen als Kirche, die sich den Menschen verschrieben hat, aber in der Pflicht, in diesem wichtigen Diskurs Spannungen und Differenzen auszuhalten, weil es noch keine abschließende Klärung für die kirchliche Lehre gibt. Auf diese Weise kann die theologische Diskussion – so hoffe ich aus tiefstem Herzen –  mögliche Wege so aufzeigen, damit diese auch auf Ebene der Weltkirche angenommen werden. Denn die weltkirchliche Dimension unseres Kirche-Seins muss immer mitbedacht werden. Sie ist konstitutiv für die Katholizität unserer Kirche. Deshalb sollte es in unserem Erzbistum keine Schieflagen in der pastoralen Praxis geben. Wenn Seelsorgerinnen und Seelsorger für alle Menschen und damit auch für queer lebende Menschen ansprechbar, verantwortungsbewusst, einfühlsam und zugewandt sind, stimmt die eingeschlagene Richtung. Das ist Teil der unerlässlichen Schritte in die Zukunft.

Eine gute Nachricht ist die Einrichtung des Arbeitskreises für queersensible Pastoral, den es seit Anfang des Jahres auf Wunsch von Erzbischof Hans-Josef Becker bei uns im Erzbistum gibt. Damit sollen die Anliegen queerer Menschen in unserer Erzdiözese sichtbar werden und mehr Wertschätzung erfahren.

Wir sind kontinuierlich auf dem Weg

Abschließend möchte ich auch zum kirchlichen Arbeitsrecht zumindest einige Gedanken zusammenfassen – mich bewegt diese Debatte nämlich nicht nur als Priester, sondern auch als Jurist. Bei Arbeitsverhältnissen mit dem Erzbistum Paderborn gilt bekanntlich die Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse. Diese wurde 2015 reformiert und an die veränderten Rahmenbedingungen in Gesellschaft und Rechtsprechung angepasst, um eine differenziertere arbeitsrechtliche Betrachtung bestimmter privater Lebensweisen zu ermöglichen. Vielfach herrschte öffentlich die Annahme vor, dass Loyalitätsverstöße, wie etwa die Wiederverheiratung, unweigerlich eine Kündigung nach sich ziehen. Aber tatsächlich sind Kündigungen aufgrund von Loyalitätsverstößen sehr selten – es findet ausnahmslos eine differenzierte Einzelfallprüfung statt.

Das alles zeigt: Wir sind als Kirche auf dem Weg und gehen diesen beständig weiter. Die Debatte um Menschen, die sich aufgrund ihrer sexuellen Orientierung von der Kirche ausgegrenzt fühlen, bewegt mich tief – weil ich an eine Kirche glaube, die den Menschen Halt gibt, statt sie zu diskriminieren. Ebenso schmerzt mich, wie viele Opfer von Missbrauchsverbrechen im Raum der Kirche auch in unserem Erzbistum noch immer an den Folgen dieser Taten leiden. Vor diesem Hintergrund wird es für Seelsorgende und Gläubige in den Kirchengemeinden zunehmend schwerer, als Zeugen des Evangeliums zu zeigen, dass Kirche eben nicht frag-würdig, sondern glaub-würdig ist. Dennoch bin ich überzeugt, dass es sich lohnt, Teil dieser Kirche zu sein, einer Kirche, die das Gute im Menschen hervorzubringen vermag, einer Kirche nicht gegen, sondern für die Menschen – für alle Menschen. Handeln wir danach, auch wenn es bleibende Herausforderungen gibt, und machen wir dies den Menschen, die uns anvertraut sind, aber auch uns selbst immer wieder klar!

 

Ihr Generalvikar Alfons Hardt

„Opfer sexuellen Missbrauchs, aber auch queere Menschen haben in der Vergangenheit in Gesellschaft und Kirche viel Leid erfahren und nicht die bedingungslose Wertschätzung gespürt, die jedem Menschen als Geschöpf Gottes zusteht. Kirche hat an der Seite aller Menschen zu stehen und dazu beizutragen, dass erfahrenes Unrecht und Leid überwunden werden. Es braucht deutliche Zeichen, dass Kirche eine lebendige und vielfältig ausgestaltete Glaubensgemeinschaft ist und es in ihr aus dem Glauben heraus weder einen Missbrauch noch eine Diskriminierung menschlichen Lebens gibt und geben darf.“

 

Generalvikar Alfons Hardt

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