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News
22. Juni 2020

“Wir sind gemeinsam Lernende”

Interviewreihe „7 Leitsätze zur Organisationsentwicklung“: Stephan Lange über das Wachsen mit den Pastoralen Räumen

Interviewreihe „7 Leitsätze zur Organisationsentwicklung“: Stephan Lange aus dem Bereich Pastorale Dienste über das Entwickeln und Wachsen mit den Pastoralen Räumen.

Wenige Monate nach Veröffentlichung des Zukunftsbildes erhielten die Mitarbeitenden im Erzbischöflichen Generalvikariat einen Satz bunter Karten mit „7 Leitsätzen der Organisationentwicklung“.  Diese Sätze zeigten eine erste Richtung an, wie der vom Zukunftsbild beabsichtigte Kulturwandel im Generalvikariat aussehen könnte.

Fünf Jahre danach fragen wir bei Abteilungsleitungen nach: Werden die Leitsätze gelebt? Wie hat sich die Kultur in unserer Behörde schon verändert? Stephan Lange, Leiter der Abteilung „Leben im Pastoralen Raum“ im Bereich Pastorale Dienste, gibt Auskunft zum Leitsatz „Wir lernen und wachsen mit den pastoralen Räumen, indem wir zuhören und aufmerksam sind für positive Erfahrungen.“

Redaktion

Seit Anfang des Jahres gibt es im Bereich Pastorale Dienste die Abteilung „Leben im Pastoralen Raum“. Welche Idee steckt hinter der Abteilung?

Stephan Lange

Ziel der Abteilung ist es, die Dienste und Angebote, die wir für die Entwicklung der Pastoralen Räume haben, zusammenzufassen. Vor der Neustrukturierung gab es schon die Begleitung bei der Planung und dem Aufbau der Pastoralen Räume, die neue Abteilung „Leben im Pastoralen Raum“ ist viel umfassender aufgestellt. Neben Pastorale Planung und Entwicklung gibt es folgende Themen: Pastorale Orte und Gelegenheiten, diakonische Pastoral, Ehrenamtsförderung, Rätearbeit mit dem Modellprojekt „Ehrenamtliche Mitverantwortung“ sowie den großen Bereich „Pastor Admin“, in dem es um die Unterstützung der Pastoral durch Verwaltung sowie die Einführung der Verwaltungsleitungen geht. Neu hinzugekommen ist das Referat Lokale Kirchenentwicklung. Weitere Themen betreffen die muttersprachlichen Gemeinden und Geistlichen Gemeinschaften. Ich selbst habe noch die Fachaufsicht für die Dekanatsreferentinnen und -referenten, da ja in den Dekanaten die Kontakt- und Scharnierstelle zu den Pastoralen Räumen sind.

Redaktion

Gab es einen konkreten Impuls, all diese Dienste, Aufgaben und Unterstützungsleistungen zusammenzufassen?

Stephan Lange

Anlass der Umstrukturierung der Pastoralen Dienste war eine breite Befragung unter unserer „Kundschaft“, also den Menschen in den Pastoralen Räumen, Einrichtungen und Initiativen, hier vor allem den haupt- und ehrenamtlichen Multiplikatorinnen und Multiplikatoren. Als ein zentrales Ergebnis stellte sich der Wunsch heraus, dass wir als Bereich Pastorale Dienste näher an den Räumen und ihren Fragestellungen sein sollten.  Die Menschen wollen von uns keine Papiere und Empfehlungen oder sogar neue Aufgaben und Anforderungen, die „aus Paderborn“ kommen. Sie möchten eher gemeinsam mit uns neue Wege entwickeln, wie Kirche vor Ort sich angesichts der aktuellen Herausforderungen weiterentwickelt. Beispiele sind pastorale Initiativen in der Begleitung von Ehrenamtlichen oder Projekte wie Pilgerwege, Lichterkirchen, geistliche Zentren oder caritative Projekte.

Redaktion

Und was hat sich noch geändert?

Stephan Lange

Gleichzeitig mit der Neustrukturierung haben wir uns eine veränderte, „agile“ Arbeitsweise vorgenommen: Wir arbeiten vernetzter, teilen unser Wissen, entwickeln Ideen miteinander –  und das nicht nur innerhalb des Generalvikariates, sondern auch mit den Dekanaten und den Menschen vor Ort. Das geht nur schrittweise. Auch wenn es viele Vorerfahrungen gibt und wir nicht bei null anfangen:  Richtig gestartet sind wir trotzdem erst am 1. Januar 2020, und dann kam die Corona-Krise…

Redaktion

Unser Leitsatz, um den sich dieses Interview dreht, stellt die Pastoralen Räume in den Mittelpunkt. Was ist für Sie das entscheidende Merkmal eines Pastoralen Raums?

Stephan Lange

Da will ich zunächst einmal sagen, was ein Pastoraler Raum nicht ist:  Er ist keine XXL-Pfarrei, in der das gewohnte Programm einfach auf ein größeres Gebiet ausgedehnt wird. Pastorale Räume gestalten sich anders, nämlich von den Lebensthemen der Menschen her. Es gibt dann nicht nur die Pfarrgemeinden, sondern damit vernetzt auch das, was wir Pastorale Orte und Gelegenheiten nennen. Ziel ist es, eine Vielfalt von Einrichtungen und Möglichkeiten zu entwickeln, bei denen Gläubige aus der Taufberufung heraus ihren Glauben gestalten und umsetzen können.

Um das an einem Beispiel zu veranschaulichen: Im Sauerland spielt der Tourismus eine große Rolle. Menschen sind in Urlaubszeiten offener und haben andere Themen und Anliegen als im Alltag. Da ist es konsequent, wenn Kirche in die Tourismus-Seelsorge investiert und Gelegenheiten eröffnet, dass Menschen über Lebens- und Glaubensfragen ins Gespräch kommen.  Aber auch „Standard-Aufgaben“ der Kirche wie etwa die Firmvorbereitung richtet sich neu aus, wenn sie von den Lebensthemen der Jugendlichen ausgeht. Das würde bedeuten, mit ihnen gemeinsam Wege zu entwickeln, wie sie ihren Glauben leben können und darin sakramental gestärkt werden.

“Die Menschen wollen von uns keine Papiere und Empfehlungen oder sogar neue Aufgaben und Anforderungen, die „aus Paderborn“ kommen. Sie möchten eher gemeinsam mit uns neue Wege entwickeln, wie Kirche vor Ort sich angesichts der aktuellen Herausforderungen weiterentwickelt.”

Stephan Lange

Redaktion

„Lernen und Wachsen mit den Pastoralen Räumen, indem wir zuhören“ – was heißt das für Ihre Abteilung konkret?

Stephan Lange

Der Satz hat viel mit einer bestimmten Haltung zu tun. Wenn wir mit den Menschen vor Ort ins Gespräch kommen, gehen wir dort nicht als Wissende mit fertigen Antworten und Ideen hin, sondern als Lernende, die etwas mitbringen: Erfahrung in methodischer Begleitung und Profession. Zuhören ist wichtig, um die Fragen und Anliegen wirklich verstehen zu können.  Zuhören allein reicht allerdings nicht, es braucht die Bereitschaft, miteinander zu lernen, und zwar aus der fragenden Haltung heraus: Was soll ich dir tun? Das ist das Neue, was wir jetzt vielleicht auch in der Corona-Krise in besonderer Weise lernen.

Redaktion

Wie meinen Sie das?

Stephan Lange

Der Gedanke stammt aus einem Artikel mit dem Titel „Lessons Learned?“, den Jan-Christoph Horn auf der Seite www.kirchenentwicklung.de veröffentlicht hat. Er vertritt die These, dass in der Corona-Krise die Fachleute in den Generalvikariaten weniger angefragt wurden, weil viele Probleme direkt vor Ort gelöst worden sind. Und er schlägt deshalb vor, dass die Mitarbeitenden in den Generalvikariaten die Frage stellen: „Was soll ich dir tun?“ Es geht also darum, in eine fragende Haltung zu kommen und dann miteinander Entwicklungsschritte zu gehen. Manchmal braucht es eher die richtigen Fragen statt kluger Antworten. Die Hoffnung dahinter ist, dass die Gläubigen die Dinge selbst in die Hand nehmen und Kirche vor Ort gestalten. Ein Bistum muss dafür allerdings den notwendigen Rahmen schaffen oder ermöglichen. Und dazu braucht es dann sicher auch Regelungen und Rahmenbedingungen.

Redaktion

Zeichnet sich schon ab, wie sich die Corona-Krise auf die Pastoralen Räume auswirkt?

Stephan Lange

Vieles muss sich erst noch zeigen. Ich glaube aber, dass Corona vieles beschleunigt hat, sowohl die Abbrüche und Krisen als auch die neuen Wege und Möglichkeiten, etwa der digitalen Kommunikation und Arbeitsweisen. Wir mussten unser Angebot verändern bzw. runterfahren und nun, da sich alles allmählich wieder öffnet, müssen wir uns fragen: Werden unsere Angebote nachgefragt? Den Menschen wird vermutlich deutlicher geworden sein, was ihnen wirklich wichtig ist: für ihr Leben, für ihren Glauben, für die Kirche.

Redaktion

Jenseits von Corona: Welche Themen beschäftigen die Pastoralen Räume?

Stephan Lange

Ich denke an die Pastoralvereinbarungen, die mit viel Engagement erarbeitet wurden. Im Schnitt sind das gute Bestandsbeschreibungen, die die Anforderungen, Ressourcen und Potentiale sehr genau aufnehmen. Ich glaube aber, dass jetzt ein nächster Schritt nötig ist: nämlich zehn Jahre nach vorne zu blicken und die Frage zu stellen, ob das, was formuliert worden ist und man sich vorgenommen hat, wirklich trägt. Aufgrund der oben beschriebenen Haltung ermutigen wir dazu durch Impulse oder reagieren auf Anfragen, aber wir steuern weniger direktiv in diese Richtung.  Aber jetzt durch die Corona-Folgen, die auch eine finanzielle Seite haben, kommen wir vielleicht um Grundsatzentscheidungen nicht herum.

Redaktion

Welche Entscheidungen könnten das sein?

Stephan Lange

Zum Beispiel die Frage, wie wir auf Dauer mit unseren Gebäuden umgehen. Bis heute gibt es noch keine verständigte Entscheidung darüber, Gebäude oder geplante Baumaßnahmen auch nach pastoralen Kriterien zu beurteilen und die Frage zu stellen: Wozu bist du da, Gebäude X?  Auch Gebäude oder Baumaßnahmen sollten von den Lebensthemen der Menschen her beurteilt werden. Eine solche Herangehensweise an Immobilienthemen wird es auf lange Sicht geben müssen, und vielleicht beschleunigt sich das aufgrund der finanziellen Einschränkungen, die ja die Corona-Krise auch bedeuten wird. Hierzu bedarf es natürlich Rahmenbedingungen auf Bistumsebene.

Redaktion

Es gibt ja Pastorale Räume, die schon eine mehrjährige Geschichte und damit viel erlebt und gelernt haben. Was, glauben Sie, haben sie gelernt?

Stephan Lange

Ich denke, es wurde viel im Bereich der Team-Entwicklung gelernt. Es ist bestimmt gut, dass die Mitglieder der Pastoralteams in einem engen Austausch miteinander über Glaubenskonzepte und -geschichten waren und sind. Gemeindegremien haben gelernt, dass es mehr als die eigene Gemeinde gibt, zunächst mit gegenseitigen Besuchen, um die anderen Gemeinden kennenzulernen, bis hin zur Verantwortung für den gesamten Pastoralen Raum. Es ist auch viel an Vernetzung passiert, etwa zwischen Initiativen, Projekten und Verbänden, vor allem auch im caritativen Bereich, wenn ich an die Flüchtlingskrise denke.  Ob die Gemeinden tatsächlich durchlässiger geworden sind und ob die Kerngemeinde wirklich zu Gottesdiensten in die Nachbargemeinde reist – da sind wir nach wie vor noch am Lernen. Die Erwartung, dass alles vor Ort sein muss, ist schon noch stark. Aber es gibt auch Mobilität: Gläubige schauen auf die vorhandenen Angebote, und wenn sie etwas besonders anspricht, nehmen sie auch längere Wege in Kauf. Sicher lernen wir auch viel im Bereich der Leitung: Der leitende Pfarrer hat nach wie vor die Letztverantwortung, aber es gibt auch Modelle, die das weiterentwickeln. Zum Beispiel bei den Verwaltungsleitungen.  Das heißt ja nichts anderes, als dass die Leitung im Bereich Verwaltung delegiert bzw. geteilt wird.

Redaktion

Und was können wir im EGV aus den Erfahrungen der Pastoralen Räume lernen?

Stephan Lange

Ich denke an die Unterschiedlichkeit der Räume und die vielfältigen Wege, die vor Ort  gesucht und gegangen werden. Dies sollte sich dann bei uns darin widerspiegeln, dass der Rahmen weit gesteckt wird und vieles ermöglicht wird, ohne dass die gemeinsame Sendung aus den Augen verloren geht. Hierzu braucht es immer wieder eine gemeinsame Verständigung wie sie im Prozess der Umsetzung des Zukunftsbildes mit den diözesanen Foren gegangen wird.

Redaktion

„Lernen und wachsen mit den Pastoralen Räumen“ – nehmen Sie das auch außerhalb der eigenen Abteilung wahr?

Stephan Lange

Viele Kolleginnen und Kollegen aus anderen Abteilungen und Bereichen sind mit den Pastoralen Räumen im Gespräch, etwa wenn es um Baumaßnahmen geht oder aus dem Bereich Finanzen. Das finde ich beeindruckend und es spiegelt eigentlich gemeinsames Lernen wider. Andererseits werden Entscheidungen, die dann am Ende dieser Gespräche getroffen werden, oft nicht als Resultat gemeinsamen Lernens verstanden. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns alle immer wieder daran erinnern: Wir sind gemeinsam Lernende.

Interviewreihe "7 Leitsätze zur Organisationsentwicklung"

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