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© Ralf Litera
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„Hier liegt Eure Chance!“

Ein gutes Dutzend Gehörloser folgt Anfang Oktober konzentriert den Gesten der Dolmetscherinnen bei der 11. Regionalkonferenz zum Bistumsprozess in Meschede. Bildhaft und ausdrucksstark ist die Gebärdensprache. Schafft sie es, Abstraktes herunterzubrechen?

Unbedingt kann jeder von der klaren Sprache der Gehörlosen profitieren und dies gerade, wenn es darum geht, Klarheit in Details zum Bistumsprozess zu bringen. Die Hände der Dolmetscherin fliegen. Ihre Gesten strahlen Tatkraft aus. Sie sind zwangsläufig konsequent und überdeutlich, weil sie sonst niemand verstehen würde. Es lassen sich viele Querverbindungen dazu finden, was auch im Bistumsprozess nötig ist, damit die Transformation gut gelingt. Offenheit und Nähe.

Fragen machen Transformation konkret

Doch auch dies gehört dazu: Konkret wird das, was kommen soll, besonders bei den Fragen aus dem Auditorium. Das gilt für die gehörlosen Menschen wie für die meisten im Raum. Transformation, mit dem das Erzbistum einen grundlegenden Wandel verbindet, was bringt sie denn für die Gemeinden mit sich? Die mehr als 100 Teilnehmenden fragen in einer ersten Feedback-Runde intensiv nach. Es geht ganz konkret um das Verhältnis von Haupt- und Ehrenamt, um Mobilität für Jugendliche, die an zentralen Veranstaltungen teilnehmen wollen, und noch viel mehr. Letztlich dreht sich alles um die Nähe der Kirche zu den Menschen, wie Generalvikar Dr. Michael Bredeck, Strategischer Leiter der Pastoraltransformation, es zusammenfasst.

Die Gesichter sind’s, dieses Stichwort fällt öfters. Gesichter, die es braucht, damit Kirche auch in Zukunft lebendig sein kann. Und auch da liegt die Analogie zur Situation der Gehörlosen auf der Hand. Ohne jemanden, den sie anschauen können, die Artikulation des Gegenübers, würde ihre Sprache nicht funktionieren. „Macht es selbst, hier liegt Eure Chance!“, das bekommt die Gruppe der Gehörlosen gesagt, von Anja Fecke, Diözesanbeauftragte Seelsorge für und mit Menschen mit Behinderung. Das ist ein Tenor der gesamten Regionalkonferenz: Engagierte werden gebraucht. „Wo könnte hier eigentlich mein Platz sein? Wo könnte ich mich mit meinen Talenten einbringen? Auch diese Fragen finden hier ihren Raum“, wendet sich Tobias Heinrich, Leiter der Koordinierungsstelle der Pastoraltransformation an die große Runde. Die finanzielle Ausstattung für Fortbildung und Begleitung, um spirituelles Rüstzeug und liturgische Kompetenz zu gewinnen, soll es geben.

Thomas Klöter ist einer der Verantwortlichen aus dem Erzbischöflichen Generalvikariat und leitet den Bereich Pastorale Dienste. Mit seinen Kollegen beantwortet er viele Fragen der Teilnehmenden. Aber er fragt auch selbst immer wieder nach und hört zu. Und das funktioniert. Im Fokus stehen insbesondere auch die Themen Eigenverantwortung und Selbstorganisation. Hier melden sich weitere aus der Teilnehmenden-Runde zu Wort, die ihren Glauben im Rahmen des kirchlichen Lebens schon lange selbst in die Hand nehmen, weil sie zu italienisch-sprachigen Gottesdiensten fahren bzw. diese anbieten. „Wir machen es schon, wir reisen sehr viel“, sagt eine Teilnehmerin und gibt im gleichen Atemzug zu. „Ja, es ist sehr aufwendig, aber wir fahren seit 1950 und machen das im Namen des Herrn. Es funktioniert!“

Trauer, gewohnte Pfade zu verlassen, und der Wunsch, mitzuwirken

Dann wiederum bricht sich der Gegenpol der Gefühle bei mehr als einem Teilnehmer Bahn. „Es macht einen auch ein bisschen traurig, ein so schneller, so großer Umbruch!“, „Klar, Gott geht den Weg mit, aber es belastet einen auch!“, kommt es aus dem Raum. Auch das Thema der Leitung des Seelsorgeraumes spielte eine Rolle: „Bewusst setzen wir in dem künftigen Seelsorgeraum auf Dreier-Teams aus Pfarrer, Verwaltungsleitung und Pastoraler Kommunikation“, sagt Tobias Heinrich. Von den Teilnehmenden kommt ein weiteres klares Signal: „Haltet uns auf dem Laufenden, nehmt uns mit!“ „Genau das ist das Ziel“, betont Tobias Heinrich: „Es wird unterschiedliche Formate geben, derzeit befinden wir uns in der Resonanzphase. Machen Sie mit und füllen Sie unser Motto mit Leben: Glauben. Gemeinsam. Gestalten!“

An Stellwänden sollen alle in Kleingruppen eine Verbindung zwischen Präsentation und eigenem Leben und Wirken finden. Insbesondere sind konkrete Umsetzungsideen gefragt. Wie alle im Raum diskutieren die gehörlosen Menschen intensiv, als es für Kleingruppen an einzelne Themen geht, die auf Stellwänden im Raum verteilt sind. Ein regelrechtes Feuerwerk an Gesten, teils gleichzeitig, ist in der Runde zu sehen. Liegt in der Transformation wirklich für sie eine Chance, mehr dabei zu sein? Vieles klingt ihnen zu abstrakt, sie lassen sich Einzelheiten noch einmal erklären. Schwester Judith, selbst gehörlos, betont: „Wir als Gruppe können heute den Aspekt der Gehörlosen noch einmal vorbringen, zum Beispiel, dass viele ganz weit fahren müssen, um teilzuhaben. Und es fällt uns jedes Mal auf bei den Gottesdiensten, dass da immer noch Barrieren bestehen. Für Hörende ist das Angebot weit ausgebaut, in erreichbarer Nähe. Gehörlose brauchen viel mehr Engagement, müssen sich mehr mühen, um mit dabei sein zu können.“ Ein Gehörloser aus Arnsberg pflichtet ihr bei: „Es ist wichtig, ein Angebot zu schaffen, dass das Wort Gottes auch für Gehörlose nahbar, greifbar wird.“ Schwester Judith ergänzt: „Es ist ein ewiger Kampf, so schwierig für Gehörlose, mitwirken zu können. Wir passen ins Thema und wollen das wirklich verändern.“

Dabei bringt gerade die Gebärdensprache die Essenz des Glaubens so sehr auf den Punkt. Gott etwa: Drei Finger zeigen nach nach oben. Jesus: Die Zeigefinger weisen ins Innere der jeweils anderen Hand. Die Male der Kreuzigung. Unmissverständlich. Und mehr noch: So gehen die Finger und die Hände in der Gebärdensprache auffallend oft zusammen und interagieren. Die Übertragung aufs Ganze ist einfach: auch der Transformationsprozess gelingt nur gemeinsam.

Ein Gefühl, genau jetzt gebraucht zu werden

Insgesamt ist die Kirche doch so nah dran am täglichen Leben: „Wir pflegen die Kranken, speisen die Armen, begraben die Toten…“ und noch vieles mehr zählt Tobias Heinrich auf. Er betont: „In der Seelsorge schlägt das Herz der Kirche. Von diesem Wort der deutschen Bischöfe möchten wir uns inspirieren lassen: nah am Menschen sein, biografisch relevant, in der Nähe, im Alltag. Wir sollten uns fragen: An welchen Stellen im Leben sind Menschen besonders empfänglich für Gott? Und:  Verlässlichkeit ist wichtig! Wo kann ich künftig in die Messe gehen, wo finde ich jemanden für eine Bestattung, wo kann ich meinen Glauben ausleben? Die Menschen werden sich das suchen, was sie brauchen in dieser Vielseitigkeit, was Seelsorge sein kann. Darauf arbeiten wir hin!“

Während er dies sagt, werden parallel die Gebärden der Dolmetscherin drastischer. Und auch bei der Frage „Was bedeutet es für unser geistliches Leben?“ geht immer wieder der Fingerzeig nach oben – zu Gott. „Wir hoffen, dass Menschen aus ihrer Taufberufung heraus weiterhin am kirchlichen Leben mitwirken wollen. Als Christinnen und Christen sind wir interessiert an dem, was die Menschen bewegt“, sagt Thomas Klöter.

„Wir merken auch, dass Menschen digitale Räume suchen“, ergänzt Tobias Heinrich. Aus den Besucherinnen- und Besucherreihen kommt der Hinweis, dass teils gestreamte Gottesdienste mehr besucht werden als vor Ort. Und: „Es geht doch darum, wie wir alle als Christinnen und Christen unsere Orte füllen. Auch in Einrichtungen wie der Familienberatungsstelle, der Caritas und dem Kindergarten geschehe Seelsorge.

„Wir werden als Christinnen und Christen gerade dringend gebraucht“, wirft eine Teilnehmende ein und blickt auf das, was im Großen wie Kleinen um uns herum gerade los ist. „Genau jetzt müssen wir etwas tun. Neue Engagierte finden und mitnehmen in die Prozesse.“ Weitere Bedürfnisse werden genannt: „Ich brauche Vertrauen.“ Und: „Ich brauche Engagement, das nicht an Zeiträume gebunden ist.“ Zwei Wörter fallen: „Verlässlichkeit und Gestaltungsfähigkeit.“ Ein junger Mann ergänzt: „Ich bräuchte Mut, Bock und ganz viel Freiheit, auch einmal etwas ganz anders zu machen.“ Passend dazu hatte Dr. Bredeck bereits vorab betont: „Die Leitung in den Seelsorgeräumen darf keine Angst vor der Weite haben, die wir erfassen wollen.“

"Inklusion ist das entscheidende Wort"

Raum der Weite mit Orten der Nähe, das sollen die Seelsorgeräume sein. Auch hier lohnt der Blick auf die Gebärden. Über einen weiten Weg wandert die Hand der Dolmetscherin. „Wir brauchen Inklusion. Inklusion ist das entscheidende Wort“, kommt es aus den Reihen der Teilnehmenden. Die Gehörlosen schließen: „Wir brauchen Gebärdensprache und Leichte Sprache, das wäre für uns wichtig.“ Und sie wagen sich noch weiter nach vorn, als sie merken, es wird zugehört: „Für uns wäre ein Gehörlosenchor schön. Und auch die Übersetzung der Kirchenmusik. Wir würden gern an mehr Elementen aus der Messe teilnehmen können.“ Dr. Michael Bredeck dankt der Gruppe der Gehörlosen dafür, dass sie da war und auf ihre Perspektive aufmerksam gemacht hat.

„Ihr seid eine starke Gruppe“, gibt Anja Fecke ihnen mit. Sie möchte es allen mitgeben, die Barrierefreiheit brauchen: „„Nutzt die Chance. Bildet euch fort und lernt, vieles selber zu machen. Dann ist vielleicht zukünftig jeden Sonntag an einem anderen Ort ein inklusiver Gottesdienst für euch und mit euch. Bringt euch ein und meldet euch zu Wort!“ Das gilt letztlich für Engagierte im gesamten Erzbistum. Eine Aussage aus den Reihen der Teilnehmenden macht hier richtig Mut. Sie lautet schlicht: „Ich habe meinen Einsatzort gefunden!“

Ein Beitrag von:
Redakteurin

Sonja Funke

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