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04. September 2020

Für das Evangelium, nicht für die Kirche

Studientag zu Kirchenaustritten verdeutlicht die innere Haltung für die Zukunft des Glaubens

Studientag zu Kirchenaustritten verdeutlicht die innere Haltung für die Zukunft des Glaubens

Ein Satz von Jan Loffeld, Professor für Praktische Theologie, entwickelte zwei Tage nach der Veröffentlichung des Bischöflichen Stuhls eine besondere Wucht. „Das größte Kapital der Kirche“, sagte er, „sind die Menschen, die dem Evangelium trauen“. Mit seinem Vortrag eröffnete der Wissenschaftler der Universität Tilburg in den Niederlanden und Priester des Bistums Münster am Donnerstag, 3. September, den Studientag zum Thema Kirchenaustritte im Jugendhaus Hardehausen. Es war ein Tag, der viele Facetten der Kirche hinterfragt hat – und geradezu danach schreit, gemeinsam an Lösungen zu arbeiten. Ein Tag, bei dem Frust oder Trauer über Kirchenaustritte in Verständnis und Mut verwandelt wurde. Ein Tag, an dem sich ganz viel innere Kraft bei den 60 Teilnehmenden entwickelt hat.

Zwischendurch konnte man sich wie bei der Vorstellung eines neuen technischen Produkts fühlen, als Loffeld im hellblauen Sakko, eng geschnittener Jeans und Headset-Mikrofon auf der Bühne sprach. Er versprühte innovativen Charme – obwohl es doch eigentlich um ein besorgniserregendes Thema ging: Kirchenaustritte.

Interessant war, wie deutlich Loffeld immer wieder zwischen „der Kirche“ und „Gott“ unterschied. „Ich arbeite nicht für eine Sozialform Kirche, sondern für das Evangelium, für Jesus“, sagte Loffeld einmal. Das ist wichtig zu wissen, um seine Analyse der kirchlichen Situation zu verstehen – und daraus eher Mut als Resignation zu schöpfen.

Denn Loffeld verglich die katholische Kirche mit einem großen massiven Baum, der – je nach Perspektive – im Fallen ist oder schon längst am Boden liegt. „Wir trauern um den Baum und versuchen, ihn zu retten“, sagte Loffeld, „statt die Pflänzchen zu sehen, die rechts und links davon wachsen“.

Kirchenaustritte: schlechte Presse, gute Nachrichten

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Jan Loffeld analysiert, warum immer weniger Menschen an Gott glauben – und warum Reformen die Kirche nicht retten werden.

Retten, was zu retten ist?

Versuchen, den Baum zu retten – in der deutschen Kirche werde das unter anderem durch Reformen versucht. Stichwort Synodaler Weg. Diese Reformen scheinen für die einen lebensnotwendig, für andere sind sie zweitrangig oder egal. Loffeld kennt das aus den Niederlanden, wo fast identische Themen des Synodalen Weges schon vor 50 Jahren in einem Pastoralkonzil diskutiert wurden.

Was der Effekt dessen war, lässt Loffeld anhand einer rhetorischen Frage erkennen: „Selbst, wenn die Kirche nächste Woche die geforderten Reformen umsetzen würde, würden dann mehr Menschen an Gott glauben?“ Reformen seien wichtig, keine Frage, aber sie bedeuteten eben nicht, dass das Evangelium mehr gelebt werde.

Versuchen, den Baum zu retten – in der deutschen Kirche werde das unter anderem durch Reformen versucht. Stichwort Synodaler Weg. Diese Reformen scheinen für die einen lebensnotwendig, für andere sind sie zweitrangig oder egal. Loffeld kennt das aus den Niederlanden, wo fast identische Themen des Synodalen Weges schon vor 50 Jahren in einem Pastoralkonzil diskutiert wurden.

Was der Effekt dessen war, lässt Loffeld anhand einer rhetorischen Frage erkennen: „Selbst, wenn die Kirche nächste Woche die geforderten Reformen umsetzen würde, würden dann mehr Menschen an Gott glauben?“ Reformen seien wichtig, keine Frage, aber sie bedeuteten eben nicht, dass das Evangelium mehr gelebt werde.

Es sind Beispiele wie diese, in denen sich jeder und jede Mitarbeitende im Raum wiederfinden konnte. Es wurde klar, dass alle Teil des Problems sind – aber auch Teil der Lösung. Denn nach der Problemanalyse folgte die Frage, was Perspektiven sind. Ein Kernbegriff dabei: das Heilige.

Das gesamte Publikum diskutierte die Frage, wie das Evangelium gelebt werden kann.

Das Evangelium – eine “big story”

„Früher sagte die Kirche, was heilig ist und was nicht“, sagte Loffeld. „Heute kann jeder selbst definieren, was ihm heilig ist.“ Doch darin steckt auch die Erkenntnis, dass auch eine säkulare Kultur nicht ohne das Heilige könne. „Wenn das so ist – und das Evangelium unser Heiliges ist – was ist dann unsere Aufgabe?“, fragte Loffeld.

Er beantwortete die Frage selbst bewusst offen. Auch, weil er zwar die vorhandenen Probleme des Glaubens gut analysieren – aber nicht allein lösen kann. Loffelds Ansatz handelte von den „individual storys“ jedes Menschen – und der „big story“ des Christentums. Aufgabe der Seelsorge müsse es sein, die christliche Erzählung vom Heil der Welt mit den Geschichten der individuellen Menschen zu verbinden. Zu zeigen, dass das Evangelium für eine konkrete Frage in meinem Leben eine Antwort hat.

Das ist keineswegs ein neuer Ansatz – aber Loffeld betont ihn so eindrücklich, dass er Neues schaffen kann. Dazu passt auch die Aussage des Professors, dass weder Reformen noch Restauration die Lösung für die Kirche seien – sondern Radikalität. Radikalität? Ja, Radikalität, und zwar als Fokus auf die Frage, wo man im Glauben verwurzelt sei. Auf, Sie ahnen es, das Evangelium.

Es folgte eine Diskussionsrunde mit dem gesamten Publikum, eine Stunde lang, in der es auch persönlich wurde. Da sagte eine Mitarbeiterin, dass sie zunächst über die Kirchenaustritte gefrustet gewesen sei. Nach dem Vortrag habe sie eher Verständnis für diejenigen, die gegangen sind. Eine andere Mitarbeiterin fragte: „Wer fragt denn heute überhaupt noch nach der Big Story des Christentums?“ Loffelds Antwort: „Gute Frage.“ Dann berichtete ein Mitarbeiter aus der Telefonseelsorger, wie viele Menschen sich bei ihm melden, die nach Heil und Glück suchen. Im Übrigen sei er selbst ein „Suchender“, der mit den Menschen, die anrufen, im Gespräch einfach ein Stück weit mitgeht.

“Was bei den Menschen ankommt, das ist Gottes Geschäft”

Ein anderer Mitarbeitender erzählte von der Spannung, gute Angebote zu schaffen und doch nicht zu wissen, ob sie bei den Menschen ankommen. Loffeld sprang auf den Zug auf und sagte: „Ich habe in meiner Arbeit keine Wirksamkeitsgarantie – aber die Hoffnung, dass etwas passiert. Denn letztlich ist es nicht meine Verantwortung, was bei den Menschen ankommt, das ist Gottes Geschäft. Das ist eine geistliche Haltung, in die wir hineinwachsen müssen.“

Geistliche Haltung war ein gutes Stichwort, denn der Tag rief diese besonders in den Vordergrund. Aus einzelnen Mitarbeitenden wurde mehr und mehr ein „Wir“, es entstand eine verbindende Kraft. Dafür sorgten auch besonders die Gespräche in Kleingruppen nach der Mittagspause. Darin kamen Momente der Frustration und Hoffnung zusammen. Unterschiedliche Perspektiven, dass man sich aus dem Glauben heraus für den Arbeitgeber Kirche entschieden hat. Der Blick darauf, dass der Baum Kirche fallen wird – was nicht verhindert, aber dennoch neu gestaltet werden kann.

Ein gemeinsames Gebet rundete den Studientag ab. Es ging in die helle, offene Kirche des Jugendhauses. Die Mitarbeitenden saßen einzeln in den Bänken, als Jugendpfarrer Stephan Schröder dazu einlud, eine kleine Kerze anzuzünden, auf den Altar zu stellen und ein persönliches Gebet zu sprechen. Wie Loffeld gefordert hatte, ging nun der Blick weg von „der Kirche“ hin zu Jesus Christus. Viele Mitarbeitende beteten laut und dankten für den Tag, die offenen Gespräche, die neuen Perspektiven. Eine Mitarbeiterin sagte: „Ich habe heute zum ersten Mal erlebt, was das Besondere am Arbeitgeber Kirche ist.“

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