Weihbischof Josef Holtkotte besuchte auf seiner Visitationsreise Kitas, Schulen, Seniorenzentren, geistliche Orte und soziale Einrichtungen im Dekanat Büren-Delbrück. Er sprach u.a. mit hauptamtlichen Mitarbeitenden in der Pastoral, vielen Ehrenamtlichen, Vertretern der Politik, der Ökumene und unterschiedlichsten Menschen vor Ort.

Es geht um den Zusammenhalt – Weihbischof Josef Holtkotte im Interview

Herr Weihbischof, Sie waren an 30 eng getakteten Tagen, verteilt auf ein halbes Jahr, unterwegs in Salzkotten, Büren, Lichtenau, Hövelhof, Delbrück, Bad Wünnenberg und vielen weiteren Orten im Dekanat Büren-Delbrück. Wie präsent ist Kirche dort im Leben der Menschen?
Die unzähligen offiziellen und inoffiziellen Gespräche, die ich mit Menschen in den Gemeinden und Institutionen geführt habe, sind wie Mosaiksteine, die sich zu einem Gesamtbild fügen. Insgesamt habe ich ein sehr gutes Miteinander wahrgenommen. Und ein sehr lebendiges Ehrenamt. Manchmal begegnen einem die Menschen auch in ihren unterschiedlichen Rollen; wie die berufstätige Mutter von Schulkindern, die sich ehrenamtlich engagiert. Für mich ist es wie ein Eintauchen in den gesellschaftlichen und kirchlichen Mikrokosmos. Ich nehme die Querverbindungen wahr. Ich höre zu. Das Zuhören ist mir sehr wichtig. Darin liegt sowohl ehrliches Interesse, als auch eine Wertschätzung für das Gegenüber. Ich verstehe mich als Mutmacher. Schließlich bringen wir als katholische Kirche eine kraftvolle Botschaft mit.
Haben Sie ein Beispiel, das Sie besonders beeindruckt hat?
Es gab viele beeindruckende Situationen, weil ich viele Einrichtungen und Initiativen kennengelernt habe mit sehr unterschiedlichem Inhalt: Krankenhaus, Caritas-Werkstätte, Speisekammer, Kita, Schule, Altenpflegeheim, Bücherei auch Gesamtpfarrgemeinderat, Finanzausschuss, Kirchenvorstand und vieles mehr. Wir haben Gottesdienste gefeiert und ich habe auch einen Ostergarten erlebt.

Es geht um den Zusammenhalt und die Aufrechterhaltung unseres von Nächstenliebe geprägten Wertesystems. Und wir bekommen alle mit, wie labil und fragil das ist.
Ist im Dekanat Büren-Delbrück die Welt also noch in Ordnung?
Nun, alles, was wir in der Gesamtgesellschaft wahrnehmen, kristallisiert sich auch im Kleinen in den Orten des Dekanates heraus: die großen Herausforderungen in unserem Land, die Fragen nach Zusammenhalt. Speisekammern bleiben wichtig für viele Menschen, die sie brauchen. Auch in den Gesprächen mit den Bürgermeistern haben wir auf das Miteinander der Menschen geschaut. Wir haben es ja mit den gleichen Menschen zu tun: Der Bürgermeister sieht den Bürger, der Pfarrer den Gläubigen. Dabei verbindet uns die Menschenwürde als gemeinsamer Wert und gemeinsames Ziel. Im Grundgesetz ebenso verankert wie im christlichen Auftrag.
Aus dieser Motivation heraus entstehen viele Schnittmengen und unterschiedlichste Formen der Zusammenarbeit zwischen Stadt und Gemeinde, Politik und Kirche. Es geht um den Zusammenhalt und die Aufrechterhaltung unseres von Nächstenliebe geprägten Wertesystems. Und wir bekommen alle mit, wie labil und fragil das ist.
Sie waren auch an kirchenfernen Orten zu Besuch, zum Beispiel in der Justizvollzugs-anstalt Hövelhof, eine Jugendstrafanstalt für den offenen Vollzug. Wie haben Sie das erlebt?
Ja, das hat mich sehr berührt. Kirche umfasst alle Bereiche des Lebens, besonders auch die Ränder der Gesellschaft. Unsere Seelsorgenden leisten dort eine sehr wichtige Arbeit. Ich konnte mit vielen Insassen sprechen; die Werkbetriebe sehen und auch die intensivpädagogische Abteilung und eine Abteilung des geschlossenen Vollzugs kennenlernen. Im geschlossenen Vollzug haben der Seelsorger und ich einen Wortgottesdienst gefeiert. Wir haben zunächst an jede einzelne Zellentür geklopft, uns vorgestellt und zum Gottesdienst eingeladen. Die große Mehrheit hat die Einladung angenommen. Der Gottesdienst war nachdenklich und persönlich. Wir haben in der Mitte eine Kerze angezündet, gebetet und über unsere Überzeugungen gesprochen. Ich hatte keine fertige Predigt vorbereitet in der Tasche, weil ich dachte, ich muss das auf mich zukommen lassen und schauen, wie die Situation ist. Wenn ich an den Heiligen Geist glaube, muss ich ihn auch wirken lassen. Der Tag in der JVA, auch die vielen Begegnungen später im offenen Vollzug, haben auch etwas mit mir gemacht. Ein junger strafgefangener Vater hat mir die Bilder seiner Kinder gezeigt. Bewegend
In Ihren Visitationszeitraum fiel die Ankündigung des Bistumsprozesses. Wie ist die geplante Neuausrichtung der Pastoral im Dekanat aufgenommen worden?
Die Frage nach der Zukunftsfähigkeit der Kirche schwebte auch schon vorher immer mit. In Gesprächen mit Engagierten wird offenbar, dass oft deren eigene Kinder nur eine lose Verbindung zur Kirche haben. Alle sehen die Entwicklung und kennen die Austrittszahlen und wissen, jetzt ist der Zeitpunkt mitzugestalten. Ich erlebe sehr viele Fragen auf die Zukunft hin, auch kritische, berechtigte Fragen, aber auch sehr viel Willen mitzugestalten und sich einzubringen. Und ich sehe meine Aufgabe darin, dies positiv zu bestärken. Ich ermutige alle, sich gerade jetzt einzubringen. Denn die Veränderungen durch Priestermangel und Kirchenaustritte geschehen auch, wenn wir nichts tun. Ich beobachte Engagement jenseits von Strukturen und es gibt immer noch sehr viel Ehrenamt. Miteinander sprechen, Sorgen aussprechen können und sich auch gegenseitig bestärken ist sehr wichtig.
Erfreut und erstaunt bin ich über die Beerdigungsdienste durch Laien und wie gut diese von den Menschen angenommen werden. Die dazu Beauftragten kommen ja in Grenzsituationen in die Familien und bekommen hier auch viel Belastendes zu hören. Gerade deshalb aber empfinden sie ihre Arbeit als besonders sinnstiftend und erfüllend.
In den nächsten Wochen werden Sie noch Jugendliche in Salzkotten, Büren, Lichtenau, Hövelhof, Delbrück und Bad Wünnenberg firmen. Freuen Sie sich darauf?
Ja, sehr. Es werden durch die Firmung immer noch viele jungen Menschen erreicht.
Die allermeisten Firmbewerberinnen und Firmbewerber machen gute Erfahrungen mit der Firmvorbereitung. Es gibt tolle Projekte, die neue Einblicke schaffen, und der Glaube wird manchmal (neu) entdeckt und gestärkt. Ich denke an viele Berichte von Wochenenden in Hardehausen und viele inhaltliche Gespräche, die Gott und den Glauben in den Mittelpunkt stellen. Das ist eine große Chance.
Ich glaube, dass Viele bei der Firmung gute Erfahrungen mit Kirche machen, die auch im späteren Leben noch Bindekraft entfalten wird.
Impressionen der Visitation in Salzkotten








