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Blog-Beitrag von Weihbischof Josef Holtkotte

Haben Sie manchmal auch den Eindruck, dass Auseinandersetzungen in unserer Gesellschaft und auch in unserer Kirche zunehmend aufgeheizter sind? Ich zumindest habe dieses Empfinden – und es macht mich nachdenklich. Eine gewisse Betriebstemperatur ist für eine lebendige Debattenkultur sicherlich wichtig. Aber es scheint zunehmend eine Art der öffentlichen Auseinandersetzung zur Normalität zu werden, in der Sachlichkeit, Besonnenheit und die Offenheit für das Argument des anderen immer weiter in den Hintergrund geraten.

Qualitätskriterium Kompromissfähigkeit

Anfang November haben zwei politische Ereignisse erneut für starke emotionale Diskussionen gesorgt und sie tun es noch: Der Ausgang der US-Präsidentschaftswahl und die Auflösung der Ampel-Koalition in unserem Land. Beides kam sicher nicht völlig unerwartet. Dennoch hat auch mich die Koinzidenz beider Ereignisse an ein und demselben Tag mit gemischten Gefühlen erfüllt, weil so viele der derzeitigen globalen Krisen damit verknüpft sind.

Was mir wichtig ist, zu betonen: Die US-Präsidentschaftswahlen waren demokratisch. Die Wahlen 2021 in unserem Land, die zur Bildung der Ampel-Regierung geführt haben, waren ebenfalls demokratisch. In einer Demokratie ist das Volk die oberste Staatsgewalt. Die politischen Entscheidungen werden durch den Mehrheitswillen der Bevölkerung getragen. Und das ist der entscheidende Punkt. In unserem Mehr-Parteien-System ist ein wesentliches Qualitätsmerkmal von demokratisch gewählten Koalitionen die Kompromissfähigkeit zum Wohle des Volkes. Dass die Ampel-Koalition beendet wurde, mag man als richtig oder falsch, als gut oder schlecht terminiert befinden: Es ist und bleibt bitter, wenn Regierungen, die sich auf Basis des Volksvotums gebildet haben – oder bilden mussten –, nicht mehr zu Kompromissen in der Lage sind, aus welchen Gründen letztlich auch immer.

In meinen Augen ist es nicht zielführend, sich auf die Frage nach der „Schuld am Scheitern“ zu fokussieren. Die Suche nach Sündenböcken scheint in der öffentlichen Debatte allgemein ein beliebter Mechanismus zu sein. Und das ist vielleicht auch gar nicht so verwunderlich: Schwarz-Weiß-Denken lässt die komplexe Welt für einen Moment einfacher erscheinen – es hilft aber nicht bei der Bewältigung der realen Herausforderungen. Undifferenziertheit heizt vielmehr ein destruktives Meinungsklima in der Bevölkerung an, das zu eben dem führt, wovor wir unsere Gesellschaft und unsere Demokratie schützen müssen: Polarisierung, Gespaltenheit, Kompromisslosigkeit, Egozentrik und letztlich Politikverdrossenheit.

Jede und jeder kann für das Wohl der Gemeinschaft einstehen

Ich möchte dazu aber auch einen Gedanken betonen, der mir angesichts der aktuellen Debatten sehr wichtig ist: Sehen wir nicht gerade jetzt, dass unsere Demokratie eine solche Regierungskrise auszuhalten vermag und dass sich die Demokratie gerade jetzt bewährt? Wir alle können bei den Neuwahlen wieder unser Votum als Bürgerinnen und Bürger abgeben. Welche Mehrheiten sich dann finden, mag noch ungewiss sein. Aber unsere Demokratie ermöglicht uns die Wahl. Das ist und bleibt ein Geschenk.

In diesem Kontext folgt für mich die Frage: Wer ist für den Schutz unserer Gesellschaft und unsere Demokratie verantwortlich? Das sind doch nicht nur die Verantwortlichen in Politik, Gesellschaft, Wirtschaft oder auch der Institution Kirche. Das sind wir alle. Wir wollen und müssen nicht alle in Ämtern Verantwortung übernehmen. Wir können im Kleinen anfangen: Es wäre schon viel damit gewonnen, wenn wir selbst nicht sofort auf Konfrontation gehen, weil uns eine andere Meinung nicht gefällt. Es wäre schon viel für unsere Gesellschaft und auch für unsere Kirche gewonnen, wenn wir dem Gegenüber mit einer offenen Haltung zuhören. Und wenn wir uns bewusst machen: Jede und jeder von uns ist ein Geschöpf Gottes und hat ihre und seine Würde – aber keine und keiner ist der alleinige Mittelpunkt der Welt. Alle sind von Gott mit demselben Existenzrecht geschaffen. Wir sind als Gesellschaft eine Gemeinschaft, in der Werte wie Solidarität und Nächstenliebe nie ihren Platz verlieren dürfen. Sich dies bewusst zu machen und auch zu leben, hilft mit, an einer besseren Welt zu bauen.

Wir alle sind unverwechselbare Individuen, aber als solche auch Teil einer Gesellschaft, die am Gemeinwohl orientiert ist. Ich bin überzeugt: Wir alle können für das Wohl unserer Gesellschaft einstehen. Leisten wir unseren Beitrag – immer wieder neu.

 

Ihr

Weihbischof Josef Holtkotte

„Es wäre schon viel damit gewonnen, wenn wir selbst nicht sofort auf Konfrontation gehen, weil uns eine andere Meinung nicht gefällt. Es wäre schon viel für unsere Gesellschaft und auch für unsere Kirche gewonnen, wenn wir dem Gegenüber mit einer offenen Haltung zuhören. Und wenn wir uns bewusst machen: Jede und jeder von uns ist ein Geschöpf Gottes und hat ihre und seine Würde – aber keine und keiner ist der alleinige Mittelpunkt der Welt. Alle sind von Gott mit demselben Existenzrecht geschaffen.

Wir sind als Gesellschaft eine Gemeinschaft, in der Werte wie Solidarität und Nächstenliebe nie ihren Platz verlieren dürfen. Sich dies bewusst zu machen und auch zu leben, hilft mit, an einer besseren Welt zu bauen.“

Weihbischof Josef Holtkotte

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